Wenn die Postfiliale geschlossen, die Zweigstelle der Bank dicht gemacht und der Supermarkt abgewandert ist, können sich die Bewohner vieler ländlicher Gemeinden nicht mehr selbst mit Briefmarken, Geld und Lebensmitteln versorgen. Unzählige kleine Ortschaften sind auf die Dienste mobiler Händler angewiesen. Nicht selten ist selbst dieser Service bereits eingestellt. Als Alternative bleibt die Fahrt mit dem Pkw zur nächsten Einkaufsmöglichkeit oder die Unterstützung durch die Familie und Nachbarn. Mit Blick auf die Zukunft rechnet Claudia Neu, Soziologin an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, mit einer Verschärfung der für viele bereits heute prekären Situation. Im Abschlußbericht eines Forschungsprojekts zur wohnortnahen Grundversorgung und Bürgerpartizipation, das sie noch als wissenschaftliche Assistentin der Universität Rostock im Auftrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern begonnen hatte, verweist sie auf eine schnell alternde ländliche Bevölkerung mit wenigen Kindern und einem steigenden Anteil immobiler Hochbetagter, deren Kinder und Enkel zu großen Teilen in andere Regionen abgewandert sind. Einen Ansatz, die Grundversorgung auf dem Lande sicher zu stellen, sieht sie in Dorfläden.
Zwar untersuchte Claudia Neu die Frage der wohnortnahen Grundversorgung am Beispiel eines Dorfes im strukturschwachen Mecklenburg – der Gemeinde Galenbeck -, doch können ihre Ergebnisse auch auf viele andere ländliche Regionen in Ost und West übertragen werden, da auch dort die demographische Entwicklung ähnlich verläuft.
Mit dem Abbau der öffentlichen Infrastruktur, der sozialen und kulturellen Einrichtungen und der Reduzierung des Personennahverkehrs sieht die Soziologin überdies die „gesellschaftlichen Teilhabechancen“ gefährdet. Dorfläden – wie etwa der DORV-Laden in Jülich-Barmen – leisten hier einen wichtigen Beitrag. Sie bündeln neben dem Lebensmitteleinkauf vielfältige Angebote und binden bürgerschaftliches Engagement. „Ob und wo sie realisiert werden, ist nicht allein eine betriebswirtschaftliche, sondern auch eine politische Entscheidung“, macht die Wissenschaftlerin deutlich.
In der untersuchten Gemeinde sind 90 Prozent der Bewohner von allen fußläufig zu erreichenden Versorgungsmöglichkeiten abgeschnitten. Zum Einkauf fahren sie zu Discountern und Supermärkten in anderen Orten.
Drei Viertel der befragten Haushalte können sich vorstellen, in einem Dorfladen in der Gemeinde einzukaufen. Dabei kommt das größte Interesse von Frauen, jüngeren Dorfbewohnern und solchen, die auf Bekannte und Nachbarn angewiesen sind. „Aber auch die sehr gut Verdienenden sehen in einem Dorfladen einen Beitrag für die Gemeinschaft“, stellte die Mönchengladbacher Professorin fest. Gut die Hälfte der „Dorfladenbefürworter“ sind bereit, den Aufbau des Ladens tatkräftig zu unterstützen. Waren aus eigener Produktion wie Eier, Obst und Gemüse würde gern ein knappes Drittel der Befragten liefern.
Auch wenn in der Gemeinde Galenbeck letztendlich die Raumstrukturen zu weitläufig und die einzelnen Dörfer zu klein für einen wirtschaftlichen tragfähigen Laden sind, bleibt die Frage der zukünftigen Nahversorgung umso dringlicher, so die Soziologin: „Wer versorgt die Generation der heute 60-Jährigen, die augenblicklich ihre alten Eltern unterstützt, wenn sie selbst alt und hilfsbedürftig ist, ihre Kinder aber nicht mehr in ihrem Umfeld leben?“ Eine Frage, auf die die Politik – nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern – noch eine Antwort finden muss.