Über das medial vermittelte Bild vom Islam und von Muslimen in Deutschland wird immer wieder hitzig debattiert. Auf der einen Seite fühlen sich Muslime als bedeutende gesellschaftliche Gruppe in Deutschland von den Medien kollektiv missverstanden oder gar diffamiert. Die negativen Zuschreibungen, die sie als „die Muslime“ erfahren, lässt die Vielfalt muslimischer Identitäten außen vor und presst sie in eine Minderheitenrolle, aus der dann im Extremfall die Abwendung von der deutschen Gesellschaft resultiert. Auf der anderen Seite schütteln viele Journalisten mit dem Kopf, weil sie sich plötzlich für etwas in der Kritik sehen, was doch ihre ureigenste Aufgabe ist: kritisch über Missstände und problematische Sachverhalte zu berichten. Warum, so wird von ihrer Seite gefragt, sollte man denn nun gerade über den Islam ein Schutzmäntelchen legen, um bloß ja keinem Multikulti-Verfechter auf die Füße zu treten?
Die Arbeitsgruppe „Medien als Brücke“ innerhalb der Islamkonferenz hat abseits dieser gegenseitigen Schuldzuweisungen in ihrem Zwischenresümee den richtigen Ton zur Abwägung zwischen der Einforderung angemessener Präsentation muslimischen Lebens und kritischer Medienberichterstattung gefunden. So soll eine „verantwortungsvolle, vorurteilsfreie und differenzierte Berichterstattung“ stattfinden, in die mehr Alltagsthemen einbezogen werden sollen und die „kulturelle Vielfalt muslimischer Mitbürger in dem Sinne dargestellt werden, dass sie zu unserer Kultur in Deutschland als Ganzes beiträgt“. Es kann eben nicht darum gehen, eine Quote für positive oder gar beschönigende Berichterstattung zum Islam einzuführen, wie der Spiegel zynisch schrieb.
Vielmehr muss diese Forderung ein strukturelles Umdenken in deutschen Medieninstitutionen nach sich ziehen. Muslime müssen zur Normalität in der deutschen Gesellschaft werden und dementsprechend auch im deutschen Mediensystem präsent sein. Der Islam-Experte und Publizist Michael Lüders forderte folgerichtig einen „Marsch deutscher Muslime durch die (Medien)-Institutionen“.
Bisher haben gerade einmal drei Prozent aller Medienschaffenden in Deutschland Migrationshintergrund, sie stellen aber fast ein Fünftel der Bevölkerung. Journalismus gilt noch immer als wenig attraktive Karriereoption für gut ausgebildete Migranten und Muslime. Zum Einen, weil die Medien durch ihre Berichterstattung häufig als migranten-und islam-feindlich empfunden werden, zum Anderen aber auch, weil sich muslimische Journalisten wieder in ein Nischendasein als „Migrationsberichterstatter“ abgeschoben und nicht als vollwertige Redakteure wahrgenommen fühlen.
Der Migrationshintergrund kann neuerdings allerdings auch ein Bonus sein, sagt die freie Journalistin Ferda Ataman: „Wenn ich einer Redaktion eine Geschichte zum Thema Integration anbiete – am besten eine, die meine Türkischkenntnisse erfordert – verkaufe ich sie garantiert. Mir wird eine höhere interkulturelle Kompetenz unterstellt. Anders als meine deutschdeutschen Kollegen habe ich diese Qualifikation nach Ansicht meiner Auftraggeber quasi von Geburt an.“
Selbst über die Einführung von Quoten für Journalisten mit Migrationshintergrund wird nachgedacht. Auf Dauer ist diese positive Diskriminierung sicherlich nicht hilfreich dabei, Muslime zur Normalität in den Medien zu machen. Aber sie ist ein Anfang, der Muslimen den Zugang zu Medien enorm erleichtert. Deshalb sind auch Initiativen zu begrüßen, die gezielt Migranten in Journalismus-Studiengänge bringen wollen.
Die Medien selbst müssen allerdings auch gewillt sein, den muslimischen „Marsch durch die Institutionen“ mitzutragen. So finden sich bisher keine Vertreter islamischer Verbände in den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Sender. Das Mitspracherecht wichtiger gesellschaftlicher Gruppen bei der Programmaufsicht ist aber ein wesentlicher Pfeiler der Strukturen von ARD und ZDF. Eine verstärkte Artikulation muslimischer Interessen in den Aufsichtsgremien muss nicht gefürchtet werden, sondern kann beispielsweise dazu beitragen, bereits vorhandene gute Integrationssendungen aus ihren Nischen der späten Sendeplätze und dritten Programme zu herauszuholen. Das viel zitierte „Wort zum Freitag“ im ZDF und das „Islamische Wort“ im SWR sind zwar gut gemeint, bleiben aber eben feigenblattartige Zugeständnisse an die Muslime, die im Internet und im ZDF-Spartenkanal versendet werden und nicht wirklich etwas an der Grundstruktur der negativen Islamberichterstattung ändern.
Der Medienwissenschaftler Kai Hafez möchte deshalb auch die Chefredakteure, Herausgeber und Intendanten deutscher Medien mehr in die Verantwortung nehmen. In den letzten Jahren hätten verschiedenste Medien immer wieder lernbereite und interessierte Journalisten und Korrespondenten zu Dialogveranstaltungen entsandt. Die Wirkung solcher Veranstaltungen aber verpuffe, wenn die Journalisten zurück in ihren Medien weiterhin strukturellen Pressionen und Routinevorgängen ausgesetzt seien, die einem Feindbild Islam in die Hände spielten.
Auslandskorrespondenten in arabischen Ländern klagen beispielsweise vielfach darüber, nicht die Beiträge lancieren zu können, die sie für relevant halten, sondern sich dem aus Nachrichtenagenturmaterial gespeisten Vorstellungen der Heimatredaktion anpassen müssten.
Auch die Journalisten im Inland können häufig nur dann Beiträge zu Muslimen in ihren Redaktionen durchsetzen, wenn sie so stereotype Assoziationen zum Islam, wie Kopftuchproblematik, minderwertige Rolle der Frau, Bildungsferne oder Gewaltaffinität zumindest thematisieren.
Viele Journalisten haben zudem nur rudimentäres Wissen über die vielfältigen religiösen und kulturellen Aspekte im Islam. Zwar findet man sowohl in den überregionalen Medien als auch auf der lokalen und regionalen Ebene etliche engagierte Journalisten, die den Kontakt mit den dort verankerten islamischen Gemeinden und Verbänden suchen, sich durch die Flut an populär-wissenschaftlicher Literatur wühlen und Islam-Experten bei ihren Recherchen zu Rate ziehen. Gerade hier muss aber bereits die Journalisten-Ausbildung ansetzen und für unsere Gesellschaft so bedeutend gewordene Themen wie Migration und Islam prominent auf die Agenda setzen, um auf diese Weise die interkulturelle Kompetenz des einzelnen Journalisten zu fördern. Die Universitäten in Dortmund und Erfurt sind Vorreiter auf diesem Gebiet, aber auch andere Medienstudiengänge müssen stärker über den Tellerrand des Eurozentrismus hinausschauen.
Muslime können wesentlich zu solch einer Ausweitung des Themenspektrums und der Vielfalt der Sichtweisen beitragen, indem sie gezielt mit eigenen Medien den Weg in die Öffentlichkeit suchen. Die großen islamischen Verbände in Deutschland unterhalten zwar eigene Websites wie islam.de oder ditib.de, die als Anlaufstelle für Journalisten und Informationsplattform zum Islam mittlerweile etabliert sind. Ein Blick auf das britische Magazin Q-News zeigt aber, dass gerade außerhalb eher konservativer, verbandsgebundener islamischer Medien auf innovative Weise über muslimisches Leben berichtet werden kann. Die Hälfte der 15.000 Exemplare des Magazins werden von Nicht-Muslimen gekauft – darunter viele Journalisten, die sich auf alternativen Wegen über den Islam in Großbritannien informieren wollen. Solche Initiativen sind auch in Deutschland wünschenswert – auch wenn es wie bei Q-News immer an der Finanzierung mangelt. Deshalb sollte auch von staatlicher Seite strukturelle Unterstützung für kleine Medienaktivitäten gewährleistet werden. Eine Möglichkeit bieten dabei die Offenen Kanäle und freien Radiosender in einigen Bundesländern. Mit dem Internet steht muslimischen Akteuren zudem eine günstige technologische Alternative zur Verfügung, die aber auch entsprechend aktiv mit Inhalten bestückt werden muss.
Perspektivisch wird also der Wandel des Islambildes in deutschen Medien von der Reformierbarkeit eingefahrener massenmedialer Strukturen, aber auch dem Willen zur öffentlichen Partizipation durch eine Vielzahl von Muslimen abhängen.
Die Autorin
Carola Richter ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin für internationale und interkulturelle Kommunikation am Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt. Ihre Forschung konzentriert sich auf Medien und Kommunikationskulturen im Nahen Osten, Kommunikation muslimischer Minderheiten in der Diaspora sowie auf islamistische Bewegungen und deren Kommunikationsstrategien.