5. Juli 2011 | Interkulturalität

Dialoge zwischen Christen und Muslimen fördern freundschaftliche Kontakte

von Meike Mossig. Bremen


Eine neue Studie des Instituts für Religionswissenschaft der Universität Bremen zeigt jetzt: Interreligiöse Dialoge fördern den zwischenmenschlichen Austausch und freundschaftliche Kontakte – insbesondere da, wo vorher keine Begegnungen stattfanden. Konfliktfrei sind sie jedoch nicht.

Lesezeit 3 Minuten

Wissenschaftler vom Institut für Religionswissenschaft der Universität Bremen haben deutschlandweit Teilnehmer von christlich-muslimischen Initiativen befragt und ihre Treffen besucht. Homepage informiert über bundesweite Dialoginitiativen.

Nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 hat man auf den Dialog zwischen Christen und Muslimen zur innergesellschaftlichen Befriedung gesetzt. Bis dahin wurden solche interreligiösen Initiativen wenig beachtet oder gar als „gutmenschelndes Nischenengagement“ belächelt.
Eine neue Studie des Instituts für Religionswissenschaft der Universität Bremen zeigt jetzt: Interreligiöse Dialoge fördern den zwischenmenschlichen Austausch und freundschaftliche Kontakte – insbesondere da, wo vorher keine Begegnungen stattfanden. Konfliktfrei sind sie jedoch nicht.

„Keine Kuschelveranstaltungen“

„In vielen interreligiösen Dialoggruppen wird regelmäßig und zum Teil heftig gestritten“, sagt die Leiterin der Studie, Professor Gritt Klinkhammer. Um „Kuschelveranstaltungen“ handelt es sich also nicht.
Allerdings brechen die meisten Dialoginitiativen dennoch nicht auseinander und die Teilnehmer kommen wieder. „Gerade diese Auseinandersetzungen scheinen den Kitt zu bilden, der notwendig ist, um über viele Jahre immer wieder zusammenzukommen, miteinander zu diskutieren und Projekte zu planen, die ein friedliches und gerechtes Miteinander ermöglichen“, so die Bremer Wissenschaftlerin. Oft sind weniger alltags- und nachbarschaftliche Probleme als vielmehr durch die Medien wahrgenommene Konflikte Thema der Auseinandersetzungen und Diskussionen in den Dialoginitiativen.

Die Publikation mit dem Titel „Interreligiöse und interkulturelle Dialoge mit MuslimInnen in Deutschland: eine quantitative und qualitative Studie“ ist das Ergebnis einer mehrjährigen Forschungsarbeit. Insgesamt haben die Wissenschaftler deutschlandweit rund 230 christlich-muslimische Initiativen zu ihrer Arbeitsweise und ihren Zielen angefragt. Außerdem wurden knapp tausend Fragebögen an Teilnehmer von ausgesuchten Dialoginitiativen geschickt. Die Beteiligungsbereitschaft war ungewöhnlich hoch. Vertieft wurde die Studie zudem qualitativ, indem die Wissenschaftler an 65 Dialogtreffen persönlich teilnahmen. Finanziert wurde das Projekt mit rund 340.000 Euro vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Bundesministerium des Inneren (BMI) und dem Land Bremen.

Freundschaftliche Kontakte durch interreligiöse Dialoge gefördert

Die Befragung ergab, dass Teilnehmer interreligiöser Initiativen deutlich weniger Vorurteile und negative Einstellungen dem Islam gegenüber haben als die Gesamtbevölkerung. Während die Muslime mehrheitlich schon vor dem Engagement in einer Dialoginitiative Kontakt mit Christen hatten, stellt die Beteiligung an einer Dialoginitiative für gut die Hälfte der engagierten Christen auch den Beginn eines regelmäßigen und zum großen Teil freundschaftlichen Kontakts mit Muslimen dar. Dabei stehen Dauerhaftigkeit des Dialogs und das Vertrauen im Gespräch in einem signifikanten Zusammenhang.

In einem ambivalenten Verhältnis stehen interreligiöse Dialoginitiativen zu integrationspolitischen Zielen und Diskursen von Politikern. Auf der einen Seite knüpfen sie an diese an, verstehen sich als wichtige Akteure in diesem Bereich und profitieren zum Teil auch von Förderprogrammen. Gleichzeitig möchten sie sich aber auch nicht instrumentalisieren lassen. „Wichtig für das Gelingen interreligiöser Dialoge ist die Unterstützung durch die entsprechenden Autoritäten“, betont Professor Gritt Klinkhammer.
Allerdings fühlten sich ein Drittel der muslimischen und christlichen Teilnehmer nicht durch die offiziellen Vertreter ihrer Religionsgemeinschaft unterstützt.

Deutliche Bildungsunterschiede zwischen beteiligten Christen und Muslimen

Insgesamt dominiert bei den befragten interreligiösen Dialoginitiativen das Bildungsbürgertum. So verfügen 80 Prozent der Teilnehmer über eine Hochschulzugangsberechtigung und zwei Drittel über einen Hochschulabschluss. Allerdings gibt es deutliche Bildungsunterschiede zwischen christlichen und muslimischen Teilnehmern: so haben fast 90 Prozent der Christen, aber nur knapp 55 Prozent der Muslime eine Hochschulzugangsberechtigung. Auch bei der Altersverteilung sind deutliche Unterschiede festzustellen. Der Altersdurchschnitt der Teilnehmer liegt insgesamt bei etwa 50 Jahren. Christliche Teilnehmer sind sogar im Schnitt zehn Jahre älter, muslimische hingegen zehn Jahre jünger. „Der Bildungs- wie der Altersunterschied bergen durchaus die Gefahr von größeren Fremdheitserfahrungen in der Dialogsituation“, sagt Professor Klinkhammer, „Alter und Bildungsmilieu bilden jenseits unterschiedlicher Religionszugehörigkeit wichtige Faktoren für die Identität, die dann in der Dialogsituation mitunter als trennend erlebt werden.“ Trotz einiger reiner Frauendialoggruppen überwiegt insgesamt der Anteil der Männer unter christlichen als auch unter muslimischen Teilnehmer.


www.dialogos-projekt.de. elib.suub.uni-bremen.de/edocs/00102006-1.pdf. Link veraltet. 4.4.24


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