31. Mai 2008 | Moschee in Köln

Islam am Rhein

von Melanie Görner und Nina Petig. Köln


Im letzten Jahr kursierte die Debatte über den Bau einer Moschee im Kölner Stadtviertel Ehrenfeld in den Medien. Das Projekt der Zentralmoschee sorgt für richtig viel Aufruhr. Warum? Wir zeichnen die öffentliche Diskussion nach und versuchen, hinter die großen Kulissen zu blicken.

Lesezeit 6 Minuten

Anfang

Am Anfang war Köln Chorweiler. Dort versuchte die islamische Gemeinde bereits in den 70er und 80er Jahren Räumlichkeiten für religiöse, soziale und kulturelle Angelegenheiten zu finden. In der Hochhaussiedlung gab es keine brachliegenden Fabrikhallen, keine leerstehenden Gewerberäume oder Garagen. Man wandte sich seit damals immer wieder an den Oberstadtdirektor, das Bezirksamt, das Stadtplanungsamt, die Evangelische Kirche Chorweiler, den Oberbürgermeister, den Ausländerbeirat, den Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und so weiter. Vergeblich. Aufsehen erregte die Suche und der sich daraus ergebende Plan zum Bau einer Moschee erst als im Jahr 2002 die ersten Flyer der rechten Gruppe Pro Köln in die Briefkästen nichts ahnender Kölner flatterten: „Nein! zum Moscheebau in Chorweiler.“

Der nächste Flyer von Pro Köln sah ähnlich aus, klang aber anders: „Keine Großmoschee in Ehrenfeld!“ In Köln Ehrenfeld liegt an der Venloer Straße die Zentrale der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religionen e.V. – aufgrund der Anfangsbuchstaben der türkischen Übersetzung abgekürzt als D?T?B. Als Behörde des türkischen Präsidiums sollte die D?T?B die Religionsausübung der türkischen Arbeitsmigranten in Deutschland kontrollieren und dem zunehmenden Einfluss der vom islamischen Nationalisten Necmettin Erbakan gegründeten Partei Milli Görü? entgegenwirken. Mittlerweile ist die D?T?B ein Dachverband, dem sich nach eigenen Angaben über 800 Ortsgemeinden angeschlossen haben.

Auf dem D?T?B-Gelände an der Venloer Straße befindet sich eine Moschee, im Hinterhof, mit zu kleinem Gebetsraum und ohne ausreichenden Platz für soziale Angelegenheiten. Das soll sich nun ändern. Und im Gegensatz zur Situation in Chorweiler geht es diesmal nicht um die Räumlichkeiten an sich, sondern um viel mehr: Symbolik und Größe, City-Nähe und Stadtteilimage, Frauenbild und Frauenrechte, Imam-Ausbildung und Deutschkurse, Islam und Deutschland. Da mischen sich alle ein. Und auch wenn die Diskussion als medial und politisch ziemlich aufgebauscht bewertet werden kann, muss man nach so langer Zeit der Ignoranz wohl sagen: Endlich!

Anlass

Der Anlass für das Projekt einer Zentralmoschee? Vielfältig. Zum einen besteht der Wunsch nach Mitgestaltung eines geschichtsreichen Stadtviertels wie Ehrenfeld, zum anderen möchten die Muslime aus und um Köln ihre Religion in würdigen und repräsentativen Gebäuden ausüben können. Der Zustand der bestehenden Moscheegebäude ist meist desolat. Älteren Muslimen geht es mehr um die Repräsentanz, jüngeren auch um ein gutes Bildungs- und Freizeitangebot.

Die neue Moschee soll eine Freitagsmoschee, also eine zentral gelegene Moschee zur gemeinsamen Ausführung des Freitagsgebets sein und als Repräsentant für alle muslimischen Gemeinden dienen. Bisher existieren in Köln fast nur so genannte „Hinterhofmoscheen“, die im Stadtbild visuell kaum als Gebetshäuser wahrgenommen werden können. Unverzichtbare Elemente einer Moschee sind Mihrab, die Gebetsnische, welche die Gebetsrichtung nach Mekka anzeigt, und Midaa, die Anlage für die rituelle Waschung. In einer Freitagsmoschee dürfen außerdem Minbar, die Predigtkanzel, und ein erhöhter Standort für den Gebetsruf nicht fehlen. Als Vorbild einer Moschee gilt der Grundriss vom Wohnhaus des Propheten Muhammad. Dadurch wird die Multifunktionalität einer Moschee deutlich. Sie ist traditionell ein Kulturzentrum, ein sozialer Treffpunkt, dem auch wissenschaftliche Einrichtungen angeschlossen sind. Die Betenden finden dort im Idealfall Schulungsräume, Sportanlagen, Märkte oder Geschäfte, einen Veranstaltungssaal und eine Bibliothek. Teilweise Einrichtungen, die auch bei christlichen Gemeindezentren einfach dazu gehören. Und doch: die Ehrenfelder (zum Teil auch die muslimischen) klagen „Zu groß!“. „Zu abgeschottet!“ warnen D?T?B-Gegner und Islam-Reformer. „Zu traditionell!“ stellen Architekturkritiker fest.

Architektur 

Den von der D?T?B ausgeschriebenen Architekturwettbewerb haben im März 2006 Paul Böhm und sein Vater Professor Gottfried Böhm gewonnen. Die Böhms sind geradezu eine Kirchenbauer-Dynastie und bekannt für experimentelle Lösungen. Gottfried Böhm erhielt bisher als einziger deutscher Architekt den Pritzker-Preis, die weltweit renommierteste Architekturauszeichnung. Sein berühmtestes Werk ist die Wallfahrtskirche in Velbert-Neviges, auch bekannt unter dem Spitznamen „Betonfelsen“.  Großvater Dominikus Böhm gilt als Meister des Sakralbaus im 20. Jahrhundert. Er befreite, so liest man, mit legendärer Erfindungsgabe die kirchliche Baukunst aus den Fesseln des Historismus, und seine Werke seien geprägt von einer Liturgie-Reform, von der Zurückführung auf das Wesentliche. Das bekannteste von ihnen, die Kirche St. Engelbert in Köln-Riehl, heißt im Volksmund „Zitronenpresse“. Nun könnte man meinen, der Entwurf für die neue Moschee wäre ähnlich avantgardistisch angelegt, und ein markanter Spitzname würde nicht lange auf sich warten lassen. Fehlanzeige. Denn die Moschee soll aussehen wie eine Moschee. Unverkennbar. Beabsichtigt ist eine ziemlich traditionelle Version vom Typ der osmanischen Kuppelmoschee, einer von mehreren gängigen Bautypen. Die geplanten Minarette sind umstritten. Ebenso wie die Kuppel scheinen sie aus architektonischer Sicht ziemlich nostalgisch, erst recht, wenn der Gebetsruf gar nicht von dort aus verrichtet werden soll. Alles in allem also wenig innovativ, dieses Projekt.

Anschauung

In Köln gibt es 30 Moscheen, die meisten in den Stadtbezirken Mühlheim, Kalk und Ehrenfeld. In Ehrenfeld soll aber nun die Zentralmoschee gebaut werden. Was wird dann aus den „Hinterhofmoscheen“ dort? Geht das kulturelle und religiöse Leben in den kleineren Gebetsstätten weiter? Eine Zentralisierung bringt oft auch eine Auflösung von Einrichtungen hervor. Dies geschieht aus Kosten- und Interessensgründen. Außerdem ist anzumerken, dass sich das kulturelle und religiöse Leben in den einzelnen Stadtvierteln (den kölschen Veedeln) abspielt. Für eine neue Moschee als zentralen Ort heißt das eventuell, dass viele Muslime doch lieber in ihren Vierteln bleiben, da sie sich hier wohlfühlen anstatt einen längeren Weg zur Zentralmoschee aufzunehmen.

Um solchen Überlegungen nachzugehen,  besuchen wir zunächst einmal die Islamische Kulturgemeinde der Bosniaken und somit die Moschee der bosnischen Muslime in Ehrenfeld. Das Gebäude an sich sieht sehr neu aus, der anliegende Festsaal, in dem insbesondere bosnische Hochzeiten gefeiert werden, ebenfalls. Auf dem Gelände finden wir zudem ein Café, ein Büro, einen Markt mit Lebensmitteln. Vergleichbar ist dies doch mit christlichen Pfarrgemeinden, die z.B. Cafés führen, um ein gewisses Budget für Aktivitäten und Renovierungen zu erhalten. Nach dem Freitagsgebet, zu dem vorwiegend Muslime aus Bosnien, aber auch Muslime aus den Arabischen Emiraten, aus der Türkei und aus Deutschland kommen, treffen wir den Imam, Hadži? Mustafa. Er lehrt die sunnitische Rechtsschule, gebetet wird auf Arabisch, die Predigt hält er auf Bosnisch. Zum Freitagsgebet kommen 110 bis 130 Muslime hierher. In den Nebenräumen gibt es Islamunterricht für vier- bis 17- Jährige, zu dem 130 Kinder aus Köln und der Umgebung wie beispielweise Bergisch-Gladbach erscheinen. In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Islamische Frauenforschung, dem ZIF, gibt es auch für Frauen einige Angebote. Die Gemeinde zählt rund 300 Mitglieder, der Verein besteht seit zehn Jahren und lebt von Spenden. Vor einigen Jahren wurde die Moschee neu gebaut. Zum Tag der Offenen Moschee karren Stadtführungsorganisationen hier busseweise „Moscheetouristen“ an. Die Einrichtungen und die Leute vor Ort erscheinen uns offen und freundlich. Nur, dass wir den Imam mit Händedruck begrüßt haben, nachdem er vorgebetet und die rituelle Waschung vorgenommen hatte, kam nicht so gut an.

Was bedeutet nun das Projekt Zentralmoschee für diese Gemeinde? Nach Angaben des Imams wird der Bau der Zentralmoschee keine Auswirkungen auf die bosnische Gemeinde haben, da man hier alles Nötige vorfinde. Zudem sei die Zentralmoschee ja doch eher ein türkischer Kulturverein. Aber auch die  bosnische Gemeinde habe vor fünf Jahren schon einmal versucht, eine Art Zentralmoschee zu initiieren. Damals sei man, wie auch die Muslime aus Chorweiler, an der Stadt gescheitert. Die Verwaltung habe bemängelt, dass man keine geeigneten Grundstücke habe vorweisen können. Als wir aus dem Moscheebereich heraustreten, steht plötzlich ein riesiger Kerl vor uns. Er ist offensichtlich Basketballspieler. Die bosnischen Muslime seien stolz darauf, in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, vor allem auch im Profisport, repräsentiert zu sein.

Für unsere Recherchen haben wir versucht, mit noch zwei weiteren Gemeinden in Kontakt zu treten. Dies gestaltete sich etwas schwieriger. Beim Verband der Islamischen Kulturzentren e.V. in Ehrenfeld begegnete man uns zwar zuvorkommend, aber sehr bestimmt und skeptisch uns als Frauen und Nicht-Muslima gegenüber. Die jüngeren Männer sahen uns nicht in die Augen, versuchten aber zu erörtern, wann ein geeigneter Ansprechpartner für uns da sei. In der Fatih-Moschee in Köln Nippes erhielten wir auf unsere Anfrage nach einem Ansprechpartner keine Antwort. Die männliche Person, die wir vor Ort antrafen, war uns gegenüber eher unfreundlich. Bei diesen Besuchen konnten wir keine weiteren Informationen erfahren.

Ausblick

Gleichgültigkeit ist nicht Toleranz. Kritik ist nicht Rassismus. Deshalb sollte es in Bezug auf die Zentralmoschee nicht heißen „Warum nicht?“, sondern „Warum nicht moderner?“. Wie konservativ ist eigentlich der Bauherr, also die D?T?B, und welches Verständnis von Religion soll durch den Neubau vermittelt werden? Im Streit um die Moschee haben viele Akteure, unter ihnen Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek und Rechtsanwältin Seyran Ates, eindringlich auf die Gefahr der Enklaven-Bildung und die nötige Reformierung des Islam hingewiesen. Aufrüttelung hat es durch die Kölner Spezialmoschee gegeben. Alle sind wach. Was nun?

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Literatur

  • Fuchs, Britta. 2003. Wenn der Muezzin rufen will. Diskurse über ein Moscheebauprojekt im Kölner Stadtteil Chorweiler. Magisterarbeit am Institut für Ethnologie der Universität zu Köln.
  • Kraft, Sabine. 2002. Neue Sakralarchitektur des Islam in Deutschland. Eine Untersuchung islamischer Gotteshäuser in der Diaspora anhand ausgewählter Moscheeneubauten. [pdf] (31.05.2008)
  • Lier, Thomas & Ulrich Priest. 1994. Muslimische Vereinigungen und Moscheen in Köln. Studie im Auftrag des Ausländerbeauftragten der Stadt Köln.
  • Sommerfeld, Franz (Hrsg.). 2008. Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte über Einwanderung und Integration. Kiepenheuer & Witsch. Köln.
  • Stankowski, Sylvia. 2008. Identität und kultureller Dissens: Die Debatte um den Moscheebau in Köln-Ehrenfeld in den Jahren 2004-2007. Magisterarbeit am Institut für Ethnologie der Universität zu Köln.

Featured Image: Dirk Tucholski / PIXELIO



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