23. Januar 2009 | Das Leben nach dem Peak-Oil

Die Energiewendestadt

von Paul Nellen. Hamburg


Für einige Wissenschaftler wurde das Olfördermaximum bereits 2008 erreicht. Trotzdem erscheint ein Leben ohne Erdöl in Deutschland noch unvorstellbar. Nicht so in den USA und Großbritannien, wo eine neue Bewegung für die Energiewende wächst.
Paul Nellen ist mehr oder weniger der einzige deutsche Journalist, der sich bis heute intensiver mit dem Thema Peak Oil beschäftigt hat. Wir veröffentlichen den Text seines Vortrags vom 21. Januar 2009 in Tübingen in etwas gekürzter Fassung.

Lesezeit 28 Minuten

Darf man überhaupt noch von Hoffnung sprechen? Noch ist die Krieg-Krise im Gaza-Streifen nicht beendet. Zur Zeit befinden wir uns mitten im gefährlichsten Konjunkturrückschlag seit 70 Jahren, dessen Ende nicht abzusehen ist. Noch immer beherrschen die vier apokalyptischen Reiter der ungelösten Weltprobleme die Agenda unserer Zeit: der Klimawandel, das Artensterben, die ungerechte Verteilung zwischen Nord und Süd und die Bedrohung durch Atombombe und Terrorismus. Neu hinzugekommen ist die Frage nach der künftigen Energie- und Ressourcensicherheit. Vor gut einem halben Jahr hatten wir Erdöl- und Benzinpreise, so hoch wie nie zuvor. Einige Warner sprachen gar davon, dass wir schon in wenigen Jahren einer katastrophalen Energie- und Treibstoffkrise entgegengehen, die die Welt sehr schnell in eine „Mad-Max“-Situation hineinführen könnte – in einen Kampf aller gegen alle um die letzten Tropfen Erdöl. Und dies vor dem Hintergrund eines weltweiten Zusammenbruchs der Wirtschaft und aller gesellschaftlichen Ordnungen. An Angstprognosen mangelt es ja selten.

Ich darf annehmen, dass die meisten mit dem Begriff Peak Oil inzwischen vertraut sind, sodass ich ihn hier nicht mehr erläutern muss [vgl. Hubbert-Maximum, Peak Oil, globales Ölfördermaximum – was ist das?“, 18.07.2008]. Lassen Sie mich stattdessen ein paar Bemerkungen zur aktuellen Wirtschaftskrise machen. Sie hat mehr mit Peak Oil bzw. den chaotischen Bewegungen der vergangenen Jahre auf den Ölmärkten zu tun hat als wir glauben wollen [vgl. Wirtschaftskrise, 19.07.2008]. Peak Oil muss als etwas begriffen werden, das uns alle schon heute direkt betrifft und für das wir konkrete Lösungsmodelle diskutieren und miteinander vergleichen müssen, anstatt darauf zu warten, dass uns ein technologisches Wunder, ein gigantischer Ölfund oder ein Kreditpaket der Kanzlerin noch einmal vor dem Schlimmsten bewahrt.

Für die meisten von uns kam die gegenwärtige ökonomische Krise wie ein Blitz aus heiterem Himmel. In der Rückschau erscheint es fast nicht nachvollziehbar, wie Zusammenbrüche auf dem amerikanischen Kredit- und Immobilienmarkt so schnell eine solche Implosion unseres weltwirtschaftlichen Systems auslösen konnten. Die Finanzkrise, deren Zeuge wir gegenwärtig sind, war allerdings schon vor Jahren vorausgesagt worden; etwa von Emmanuel Todd oder dem Finanzwissenschaftler Max Otte. Wer sich wie ich im Sommer 2006, als ich für ein Peak-Oil-Feature des WDR-Hörfunks recherchierte, in den USA umsah, dem konnte auffallen, dass in vielen amerikanischen Medienberichten hauptsächlich von massiven Absatzproblemen der heimischen Automobil-Industrie die Rede war. Befürchtungen über Probleme auf dem Finanz- oder Immobiliensektor wurden damals kaum geäußert.

Inzwischen haben wir die Zusammenbrüche im Finanzsektor erlebt und wissen, dass Fannie Mae, Freddie Mac oder die Lehman-Brothers keine Hosenmarken oder Hip-Hopper sind. „Housing crisis“, Hedge-Fonds und Finanzblasen wurden inzwischen von Problemen der Realwirtschaft abgelöst: wachsende Arbeitslosigkeit, brennende Branchensorgen von der Auto- über die Luftfahrt- bis hin zur Zementindustrie, das Feilschen um staatliche Rettungs-Milliarden. Im Zentrum der Kritik aber steht die Automobilbranche, die seit Jahren stur den leistungsstarken Benzinschluckern den Vorzug vor sparsamen, abgasarmen Antrieben gab. Nicht einmal die Ölpreis-Rallye der Jahre 2005 – 2008 vermochte es, dass die Autogiganten in Detroit, Wolfsburg oder Stuttgart sich ernsthaft um alternative Antriebsarten bemühten. Jetzt stellt man fest, dass es zwischen der Finanzkrise einerseits und der sich über viele Jahre verschärfenden Ölpreissituation andererseits einen direkten Zusammenhang geben könnte.

Die kommende Energiekrise

Der britische, in Irland lebende Erdölgeologe Colin Campbell gab schon 2006 dazu einen entscheidenden Hinweis. Campbell ist einer der Väter der modernen Peak-Oil-Bewegung und Gründer des internationalen Expertennetzwerkes ASPO, der „Association for the Study of Peak Oil“. Er warnte schon lange vor dem wirtschaftlichen Kollaps, welchem – neben Gier und globaler Finanzspekulation – letztlich sich verändernde Bedingungen auf den Ölmärkten zugrunde liegen. In den letzten zehn Jahren verschmolzen die großen Ölfirmen immer stärker miteinander – so wie EXXON etwa mit Mobil. Zitat Campbell: „Dies deutet auf eine Schrumpfung der Ölvorräte hin… Wachstum ist ohne billige Energie in Hülle und Fülle unmöglich. Ich glaube, das Schuldenproblem in der Welt wird schlimmer. Das spricht für eine Finanzkrise, wie es sie seit den 1930er Jahren nicht mehr gegeben hat. … Eine Bank wird nach der anderen kippen, Industrien werden schließen – wir sehen doch schon, wie es passiert! General Motors ist kurz davor, pleite zu gehen, FORD dasselbe, die britische Autoindustrie ist schon kollabiert… Die ganzen ökonomischen Grundlagen des politischen Denkens und Handelns werden durch Peak Oil unterminiert!“

Der Öl- und der darauf folgende Zinsschock wurde zum Debakel für die verschuldeten amerikanischen Häuslebauer. Der Ausverkauf in den amerikanischen Vorstädten nahm seinen Lauf – die Bilder haben wir alle im Fernsehen gesehen. Die Finanzierungsprobleme der Banken sprangen in die Realwirtschaft über. Real- und finanzwirtschaftliche Abstürze verstärkten sich gegenseitig und untereinander. Plötzlich hatten wir eine Krise, deren eigentliche Ursache jedoch unausgesprochen bleibt.

Ich habe diesen Exkurs vorgezogen, weil viele in Deutschland meinen, wir hätten die rasant angestiegenen Öl- und Treibstoffpreise der vergangenen Jahre wirtschaftlich eigentlich ganz gut verkraftet und wir könnten künftigen Ölpreissprüngen gelassen entgegensehen. Die Wirtschaft habe schließlich viele Einsparreserven mobilisiert, sie profitiere von Effizienzgewinnen und könne flexibel mit neuen Treibstoffalternativen auf steigende Ölpreise reagieren [„Häufig gehörte Einwände“ gegen Peak-Oil, 18.08.2008]. Viele, die in den letzten ein, zwei Jahren erstmals auf die „Peak-Oil-Theorie“ aufmerksam wurden, wollen nun, angesichts wieder gesunkener Ölpreise, nichts mehr von ihr wissen.

Das wird sich als verfrüht erweisen, wenn in einem, zwei oder in drei Jahren die Konjunktur wieder anzieht und die Nachfrage nach dem Schwarzen Gold wieder steigt. Dann wird die Welt merken, dass mittlerweile zwischen sechs und neun Prozent des OPEC-Öls jährlich auf den Märkten fehlen, so die „Internationale Energieagentur“ in ihrem jüngsten Welt-Energiebericht. Barrelpreise auch jenseits der 200-$-Marke sind dann nicht mehr auszuschließen – und zwar weitaus schneller, als es die gleichmütigen Optimisten der IEA gerade erst mal wieder für „nicht vor 2030“ prognostizierten. Die sich wiederbelebende Wirtschaft könnte von einer echten Ölverknappungskrise erneut abgewürgt werden, zu deren Bewältigung es kein verlässliches Rezept und noch kein technologisches Wundermittel gibt. Die deutschen Energieexperten erwarten denn auch eine schlechtere Versorgungssicherheit für Gas und Öl in den nächsten zehn Jahren, orakelte denn auch vor zehn Tagen der Nachrichtendienst „Pressetext Austria“.

Die Autokrise markiert offenbar eine kritische Phase der Geschichte. Der amerikanische Autor James Howard Kunstler beschreibt sie in seinem gleichnamigen Buch als „The Long Emergency“ – eine Zeitspanne unbestimmter Dauer, in der der steigende Ölpreis eine Kette von ökonomischen Zusammenbrüchen, sozialen Spannungen und auch Kriegen nach sich ziehen wird. Not werde ein Normalzustand sein, auch in der wohlhabenden Welt.

Ob Klimawandel oder Erdölknappheit – ohne eine Abkehr vom verschwenderischen Lebensstil, ohne eine schnelle und revolutionäre Energiewende stehen uns schwere Zeiten bevor. „Ich sage nur, es wäre besser, wir änderten freiwillig unseren Lebensstil, damit es uns nicht unglücklich macht, wenn es erzwungen wird,“ so Dennis Meadows, der Gründer des Club of Rome, am 24.11.2008 im Tagesspiegel. Davor müssen wir nicht unbedingt Angst haben. Wir können uns vorbereiten und aktiv werden – wie, das zeigen uns die Beispiele in den USA und in Großbritannien, über die ich jetzt spreche.

Die Peak-Oil-Debatte in den USA

Wenn Deutschland das Geburtsland des Autos ist, so sind die USA das Mutterland der grenzenlosen Automobilität. Wer hier kein Privat-PKW besitzt, wird entweder noch im Kinderwagen geschoben oder ist zu arm, zu alt oder zu krank, um ein eigenes Auto zu lenken. Das Land hat sich dem Auto zu Füßen gelegt. Das starke Interesse an Peak Oil kann in Amerika also kaum überraschen. Es sollte aber ins richtige Licht gerückt werden. Vorderhand beeindruckt der Ausstoß von Büchern, die sich mit Peak Oil beschäftigen. Es sind gegenwärtig 23 englischsprachige Titel auf dem Markt, überwiegend aus den USA. Auf Deutsch dagegen sind es gerade einmal zehn, davon sieben Übersetzungen aus dem Englischen. Ein Netto-Verhältnis von gut 1:10 also.

In Washington ist Peak Oil dennoch, ähnlich wie in Berlin und anderen Hauptstädten, kein offizielles Thema im Sinne eines politisch wahrgenommenen, durch die Regierung kommunizierten Krisenproblems. Die Angst scheint groß, sich auf ein bestimmtes handhabbares Datum für den „Peak“ festlegen zu sollen. Solches fällt Politikern bekanntlich immer schwer, solange Lobbyisten und Gegengutachter eine Festlegung kritisieren könnten und man selbst die Folgen der Selbstfestlegung nicht überblicken kann. Amerika diskutiert Peak Oil trotzdem eifrig „draußen im Lande“. Es versucht, ähnlich wie beim Klimathema, in lokalen und regionalen Initiativen von unten ein präventives, vorausschauendes Problembewusstsein für die Energiewende zu schaffen.

Das offizielle Washington schweigt zu Peak Oil nach der Devise: „Nicht drüber reden – aber dezent beobachten!“ Manche Kritiker von George W. Bush haben den Irakkrieg als imperiale Antwort Amerikas auf die bereits eingesetzten Verknappungen in wichtigen Ölfördergebieten gesehen. Zur Unterstützung ihrer These ziehen sie zwei Argumente heran. Das eine betrifft gewisse Grundsatzpapiere aus dem neo-konservativen „Project for the New American Century“, einer Denkfabrik, der auch der jetzt Ex-Vizepräsident Cheney angehört, und in denen schon vor zehn Jahren der Energiesicherheitspolitik eine wichtige Rolle bei der künftigen global- und militärpolitischen Ausrichtung der USA zugewiesen wurde.

Das zweite Argument verweist darauf, dass das US-Energieministerium eine Studie in Auftrag gegeben und zunächst unter Verschluss gehalten habe, in der die Wahrscheinlichkeit des globalen Ölfördermaximums als zwar unausweichlich, aber beherrschbar beschrieben wird. Die Studie wurde unter der Leitung von Dr. Robert Hirsch geschrieben und heißt daher kurz nur der „Hirsch-Report„.

In dem 2005 veröffentlichten Papier werden – vereinfacht gesagt – die Optionen für klassische Ölalternativen wie Wasserstofftechnologie, Kohleverflüssigung, Biotreibstoffe usw. diskutiert. Es erörtert die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Planbarkeit von Gegenstrategien und für ein zeitgerechtes politisches und wirtschaftliches Krisenmanagement. Vor allem wird zum ersten Male berechnet, welches zeitlichen Vorlaufs konzentrierter Vorbereitung auf den Energie- bzw. Ölwechsel es vor Erreichen des Peak-Punktes bedarf, um eine einigermaßen „sanfte Überblendung“ ohne Krisen und Katastrophen hinzubekommen. Ich verrate Ihnen hier vorweg die Anzahl der erforderlichen Jahre, damit Sie sie im Geiste mit der Umsteuerungsrealität in Deutschland vergleichen können: bis zu 20 Jahre. Als die Zahl bekannt wurde, hat das in den USA natürlich angesichts der fröhlich-unbekümmerten SUV-itis auf den Straßen und des fast völligen Fehlens eines öffentlichen Verkehrswesens Besorgnisse ausgelöst und mit zum Erwachen einer Peak-Oil-Bewegung beigetragen.
Hinzu kam, dass 2005 ebenfalls das Jahr der beiden verheerenden Wirbelstürme „Rita“ und „Katrina“ war. Das verspätete Reagieren der US-Regierung in New Orleans wurde heftig kritisiert, nationale Krisen- und Katastrophenprävention war plötzlich ein Thema. Zugleich hatte sich die Erdöl- Infrastruktur als äußerst verwundbar erwiesen. Der größte Teil der zahllosen Ölförderanlagen rund um den Golf von Mexiko war für Monate ausgefallen, weltweit stiegen die Benzinpreise daraufhin sprunghaft an. Das wurde als Bestätigung der „Peak-Oil-Theorie“ gewertet, weil ein Ausgleich der Ausfälle durch Produktionserhöhung in anderen Fördergebieten nicht mehr möglich gewesen war. Das Experten- und Exotenthema „Peak Oil“ geriet in die Kommentarspalten der Tageszeitungen.

Nur im politischen Washington blieb das Echo verhalten. Hier war es allein der Kongressabgeordnete Roscoe Bartlett aus Maryland, ein mittlerweile 83- Jähriger Parteifreund von Präsident Bush, der sich als gleichzeitiger Fürsprecher von Atom- und erneuerbarer Energien mit Elan an die Aufgabe machte, vor den Gefahren von Peak Oil zu warnen [„Oil and Gas: PFC Energy’s Diwan, GOP Rep. Bartlett of Maryland look at supply, price, economies“, 18.04.2005]. Bartlett hat in mehreren Sitzungen des Abgeordnetenhauses, meist vor gähnend-leeren Bänken, ausführliche Präsentationen zu Peak Oil gegeben. Im Internet haben sie viel Verbreitung gefunden. Auf der politischen Bühne blieb Bartlett lange ein „einsamer Rufer“. Inzwischen hat er in beiden Fraktionen aber Mitstreiter gefunden und einen sog. „Peak Oil Caucus“ gegründet, eine parteiübergreifende Plattform, um sich mit ihnen zu Fragen der Erdölreserven, der Ölpreisbildung und der Energiealternativen öffentlich zu äußern. Im britischen Parlament wurde die Idee inzwischen nachgeahmt.

Die deutsche Apathie

Nicht so im Deutschen Bundestag. Sie dürfte der amerikanischen Parlamentskultur einer themenbezogenen, gegen die Regierung gerichteten parteiübergreifenden Interessenidentität im Kongress wohl zu deutlich ähneln. Dennoch überrascht, dass der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Laurenz Meyer, in einem Brief vom November 2007 meiner an ihn herangetragenen Idee, nach US-Vorbild auch im Bundestag einen „Peak-Oil- Caucus“ einzurichten, keinerlei Interesse entgegenbringen kann. Meyer vertraut lieber auf beruhigende Ölprognosen. Ich zitiere aus seinem Brief: „Sehr geehrter Herr Nellen, Ich teile Ihre Auffassung, dass uns die energiewirtschaftliche Situation in der Welt vor große Herausforderungen stellt. (…) Trotz dieser herausfordernden Situation sollten wir uns nicht zu sehr von Extremszenarien leiten lassen. Gerade im Ölbereich werden die Schätzungen über die verfügbaren Reserven ständig nach oben angepasst.“ Und schließlich: „Ich kann zur Zeit nicht sehen, welche zusätzlichen Erkenntnisse die von Ihnen angeregte interfraktionelle Arbeitsgruppe zum Thema ,finale Ölkrise‘ zum gegenwärtigen Zeitpunkt erbringen könnte.“

Da kannte Laurenz Meyer noch nicht die Warnungen von IEA-Chefökonom Fatih Birol, der im November letzten Jahres angesichts des Öldurstes in Indien und China warnte, „dass, selbst wenn der Ölbedarf bis 2030 nicht steigen würde, die Förderung um 45 Millionen Barrel pro Tag steigen müsste. Das würde bedeuten, dass wir noch vier weitere Saudi-Arabien bräuchten.“ [„IEA fordert weltweite Energierevolution„, 12.11.2008, Spiegel Online] Diese Reservenmengen kann Herr Meyer sich vermutlich nur vorstellen, wenn er ein schnelles Abschmelzen der Polkappen und danach eine massive Exploration unter dem Eis vermuteter Ölvorräte voraussetzt. Ich überlasse es Ihnen, ob sie das für sehr christlich halten möchten.

Jedenfalls können wir hier schon eine Erkenntnis zur Übertragbarkeit amerikanischer Strategien im Umgang mit Peak Oil zusammenfassen: Wenn auch beide Parlamente das Thema zögerlich anpacken, so ziehen die amerikanischen Abgeordneten dabei wenigstens an einem Strang, so dünn dieser auch sei. Es war übrigens nicht nur Herr Meyer von der CDU, der den Caucus-Ball nicht auffangen wollte. Die übrigen Fraktionen – bis auf die der Grünen – haben sich dazu erst gar nicht geäußert.

Im Deutschen Bundestag hat, meiner Kenntnis nach, bisher nur der grüne Abgeordnete Hans-Josef Fell das Thema Peak Oil einmal zur Sprache gebracht. Am 16. Februar 2006 trat er im Plenum ans Mikrophon, um einen Antrag seiner Partei zum Thema Energiesicherheit zu begründen. O-Ton Fell: „Das Erdölgeologen-Netzwerk ,ASPO‘ warnt die Welt vor einem Fördermaximum seit Jahren. Wir stehen wahrscheinlich unmittelbar davor – viel zu wenige in der Wirtschaft und der Politik nehmen dies wahr!“.

In meinem Deutschlandfunk-Feature „Spurwechsel“ vom Mai 2006, aus der dieses Zitat stammt, ergänzte Fell die Warnungen der ASPO: „Sorge bereitet mir, ob wir die Umstellung schnell genug schaffen – einfach deswegen, weil die Welt nicht vorbereitet ist auf den ,Peak Oil‘. Wir haben eine Lücke, die in hoher Geschwindigkeit immer größer wird, und es ist eine Frage des Wettlaufes mit der Zeit, ob die Menschen in der Lage sind, diese Lücke nun mit erneuerbaren Energien und mit Energieeinsparungen schließen zu können.“

Die Zeitfrage ist tatsächlich eine zentrale Frage, die auch den Hirsch-Report beschäftigt. Ich werde gleich das Thema vertiefen.
Es sind die Grünen, die in Deutschland gelegentlich den Versuch machen, das Ölfördermaximum zu thematisieren und dafür auch parlamentarisch das eigene Revier zu verlassen.

Die Enquetekommission im NRW-Landtag

Im Jahre 2005 beantragte im Landtag von NRW der grüne Fraktionsvize Reiner Priggen eine Enquetekommission. Sie wurde einstimmig von allen Parteien beschlossen und gab sich den holprigen Namen „Zu den Auswirkungen längerfristig stark steigender Preise von Öl- und Gasimporten auf die Wirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen“ [Übersicht der Protokolle]. Bis 2008 fanden 25 Sitzungen der Kommission statt und drei öffentliche Anhörungen. Einigen konnte man sich am Ende nicht; im Abschlussbericht [Abschlussbericht April 2008 mit Sondervotum SPD & Grüne] entzweite man sich – Sie dürfen raten! Genau: an der Einschätzung von Peak Oil! Ganz im Sinne des erwähnten Briefes von Laurenz Meyer konnten auch die Fraktionen von CDU und FDP sich – Zitat – „der sog. Peak-Oil-These, nämlich einer bereits kurzfristig aus geologischen Gründen zu erwartenden Verknappung mit zwangsläufig weiterem Preisanstieg, nicht anschließen“. Steigende Preise, der technische Fortschritt, weitere Explorations-Anstrengungen und die Nutzung der riesigen Vorkommen in Ölsanden und Ölschieferlagerstätten würden das Öl, so meinten CDU und FDP, weiter fließen lassen – „weit über… 2030 hinaus“. Von den Kosten der Erschließung und Förderung dieses erwarteten Ölflusses wurde geschwiegen.
Parteiübergreifend kam man dagegen zu der eher beruhigenden Erkenntnis, dass die eigentlichen kritischen Punkte bei den Öl- und Gaspreissteigerungen nicht Wirtschaft und Industrie seien. Weil die Industrie selbst einen Ölpreis von 130 $ relativ gut weggesteckt habe und es auch Gewinner dieses Prozesses gebe, und zwar im Maschinenbau und in der Elektrotechnik. Die nämlich profitierten von neuen Techniken, die im Zuge der Entwicklung der fossilen Energieträger auf den Markt kommen – Effizienztechnologien, erneuerbare Energien und anderes. Deswegen müssten sie in NRW besonders angesiedelt und gefördert werden. Peak Oil als profitabler Standortfaktor – hier herrscht jedenfalls im Prinzip Hoffnung.
Stärker betroffen von einem Öl- und Gaspreisanstieg seien dagegen die kommunalen Ausgaben (v.a. die Sozialhilfe). Denn am stärksten träfe es die armen Einkommensschichten, die wenig Möglichkeiten bei stark steigenden Heizkosten haben, kurzfristig umzusteigen. Das hätten wir uns allerdings auch so beinahe denken können.

Während CDU und FDP sich gar nicht erst mit dem Thema Peak Oil befassen wollten (Zitat: „die Idee eines Fördermaximums …ist in sich höchst zweifelhaft“), nehmen SPD und GRÜNE in ihrem Sondervotum [Abschlussbericht April 2008 mit Sondervotum SPD & Grüne] hierauf Bezug: „Die wachsende globale Nachfrage, z. B. aus China und Indien, trifft auf ein nicht beliebig steigerbares Ölangebot. … Experten haben deutliche Hinweise auf einen Peak Oil gegeben. … Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob dies bereits heute oder erst in 10 oder 15 Jahren eintritt. Aufgrund der langen Investitions- und Innovationszyklen sind heute schon entscheidende Schritte notwendig, um Alternativen hinreichend schnell verfügbar zu haben“.

Die Formulierung trifft den Kern. Sie deckt sich mit dem Befund des Hirsch- Reports, dass für eine einigermaßen krisenfreie Ausblendung aus dem Ölzeitalter und für einen gleitenden Übergang in die Nach-Erdölzeit eine lange Vorlaufzeit erforderlich sei. Aus dem Verlauf früherer temporärer Ölkrisen folgert das Hirsch-Team: „Je näher das Fördermaximum rückt, werden Anstieg und Sprunghaftigkeit der Treibstoffpreise dramatisch zunehmen, und, sofern keine rechtzeitigen Gegenmaßnahmen erfolgen, zu unvorhersehbaren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Kosten führen.“

The End of Suburbia

Der Hirsch-Report hat die Vorlaufjahre u. a. aus der Umrüstungsgeschwindigkeit errechnet, die allen auf Erdöl basierenden Fahrzeug-, Flugzeug- und Schiffsflotten der Welt bevorsteht. 800 – 900 Millionen Aggregateinheiten, für die komplett Ersatz samt einer völlig neuen Treibstoff- und Antriebsbasis geschaffen werden muss, einschließlich einer Infrastruktur, analog zu den Tankstellen bei Benzin und Diesel. Die Kosten hierzu werden in die Billionen gehen. Altes und neues Treibstoffregime werden im optimistischen Szenario wie kommunizierende Röhren nebeneinander bestehen, was freilich Kompatibilitätsprobleme mit sich bringt. Es setzt voraus, dass überhaupt klar ist, auf welcher Treibstoffbasis die Welt künftig operieren soll. Davon sind wir heute noch weit entfernt. Wasserstofftechnologie, Elektrofahrzeuge, Hybridantriebe, Biotreibstoffe aller Art – wir ahnen, dass die Evolution der Antriebstechnik bis zur Kür des Siegers noch ein Weilchen braucht. Eine Maßstabszahl hat die Bundesregierung immerhin schon ausgegeben, als sie sich für den forcierten Ausbau der Elektromobilität aussprach: Die Regierung strebt, so ließ sie Ende November 2008 verlauten [14], bis 2020 zwei und bis 2030 fünf Millionen Elektroautos an, bei derzeit rund 42 Millionen PKW auf unseren Straßen. Der Fortschritt ist wahrlich eine Schnecke. Aber man soll die Hoffnung ja nie aufgeben.

Die Resonanz auf den Hirsch-Report war in den USA geteilt. Einerseits wurde sein technokratisches, den Bedürfnissen des ministeriellen Auftraggebers geschuldetes Denken kritisiert, weil es stillschweigend den erreichten Stand der Globalisierung mit ihren hohen Mobilitäts- und Transport-Erfordernissen in die Zukunft weiterschreibt und dabei – von der Effizienzsteigerung normaler Verbrennungsmotoren bis hin zur Wasserstofftechnologie – den Rahmen verfügbarer Antriebslösungen nicht verlässt. Andererseits wurde begrüßt, dass die Studie erstmals einen konkreten Zeitrahmen für die nötigen Anpassungsprozesse setzt und einen konkreten Eindruck vermittelt von der gewaltigen finanziellen und logistischen Aufgabe der Übergangsgestaltung in die Nach-Erdölzeit. Diese Dimension war bis dahin stets ausgespart, um nicht zu sagen verdrängt worden.

Nicht der Hirsch-Report und auch nicht die Ölpreisentwicklung nach den Wirbelstürmen 2005 schafften den breiten Durchbruch für die Peak-Oil-Debatte in den USA – das dürfte hauptsächlich das Verdienst des kanadischen Dokumentarfilmes „The End of Suburbia“ gewesen sein. Der 2004 veröffentlichte Streifen beschreibt, wie eine auf wachsendem Treibstoffverbrauch ausgerichtete Lebensweise mit „Peak Oil“ zu Ende gehen und den Zusammenbruch des autogestützten Traums vom Vorstadt-Eigenheim bewirken könnte. Viele Graswurzel-Ökologen haben in Hunderten von selbst organisierten Veranstaltungen dafür gesorgt, dass der Film in den USA gesehen und diskutiert wurde. Die meisten Zuschauer waren schockiert, als ihnen der schon erwähnte Autor James Howard Kunstler in dem Film ein paar unbequeme Fragen für die Zeit ständig steigender Ölpreise stellte – ich zitiere sie hier, weil sie die Fragen anschlagen, die die Peak-Oil-Bewegung in den USA und in Großbritannien seither zentral bestimmen, während sie für Deutschland noch erst zu stellen sind: „Wie kommen die Leute zur Arbeit? Welche Arbeit wird es überhaupt noch geben? Die Zeit des aus 3000 Meilen Entfernung herbeigeholten Caesar-Salats geht zu Ende. Wir werden unsere Nahrungsmittel näher bei den Städten produzieren, in denen wir leben! Nicht nur unserer Dünger wird mit Erdgas hergestellt, auch die kommerziellen Pestizide sind ein Erdölprodukt. Nicht zu reden von der Energie, die für Aussaat und Ernte, für Bewässerung, Packen und Abtransportieren der Nahrungsmittel benötigt wird. Natürlich wird dies mal zu Ende gehen. Und dann sind wir wirklich in Schwierigkeiten!“

„The End of Suburbia“ hat den Blick auf Peak Oil erweitert: vom Treibstoffproblem, das die mobile Gesellschaft betrifft, hin zur umfassenden Infragestellung eines dank Erdöl völlig durchindustrialisierten Lebensstils. Im Falle einer anhaltenden Ölkrise dürfte nicht bloß die Ernährung der Menschen vor allem in den Ballungsgebieten gefährdet sein, auch die medizinische Versorgung, die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs und jene mit öffentlichen Dienstleistungen wären betroffen. In den USA gilt das besonders für die auswuchernden suburbanen Wohngebiete, in denen man, weil das nächste Fastfood-Restaurant oder der Supermarkt kilometerweit entfernt liegt, ohne PKW und je nach eigener Kondition praktisch zum Hungern verurteilt wäre, wenn eine Unterbrechung der Ölzufuhr die eigene Mobilität und den Nachschub an Lebensmitteln verhindert. In der Fläche sind die USA praktisch ohne öffentliches Verkehrsnetz.

Die Energiewende-Bewegung

Eines zeigte die Katrina-Katastrophe im August 2005 den Amerikanern deutlich: dass sie kollektiven existenziellen Krisen unvorbereitet und schutzlos ausgesetzt sind. Von der Politik, so der weithin kolportierte Eindruck, ist weder Hilfe noch ein Dialog über Szenarien zu erwarten, wie „End of Suburbia“ oder der Hirsch-Report sie entwerfen. Internetforen und lokale Peak-Oil-Gruppen sind in diese Lücke inzwischen eingesprungen. Während in NRW die Parlamentarier-Kommission seinerzeit weitgehend im Verborgenen des Landtagsgebäudes agierte und deren Befunde nicht einmal die Grünen zu einer Peak-Oil-Bewegung mobilisierten, machte sich im nordkalifornischen Städtchen Sebastopol der grüne Stadtverordnete und Ex-Bürgermeister Larry Robinson, 59, sehr konkrete Gedanken zu Peak Oil. Dann ergriff er selbst die Initiative zur Anfeuerung bürgerschaftlichen Bewusstseins. Politiker und Verwaltungen müssen jetzt selber tätig werden, erkannte er: „Eines der Dinge, die ich als Bürgermeister anregte, war eine Bürgerversammlung zum Thema Peak Oil. Es kamen rund 200 Leute. Ein Vorschlag war, dass wir eine Bürger-Beratungsgruppe bilden, um einen langfristigen strategischen Plan für die Stadt zu entwickeln. Wir wollten unsere Peak-Oil-Verwundbarkeit erkennen und entsprechende Notfallpläne erarbeiten. Der Stadtrat ernannte also eine Beratungsgruppe von 10 Bürgern. Wir beauftragten sie, sich alle zentralen städtischen Dienstleistungen anzusehen und zu schauen, wie sich 5, 8 oder 12 Dollar pro Gallone bei ihnen auswirken würden und dann Notfallpläne auszuarbeiten.“

Dieses Modell fragt nach der Finanzierbarkeit und Aufrechterhaltung kommunaler Dienstleistungen unter verschiedenen Peakoil-Szenarien und bezieht dabei – ganz selbstverständlich – die Bürger selbst mit ein, nicht zuletzt, um sie auch zu Verhaltensänderungen bei der Nutzung fossiler Rohstoffe anzuregen. Die Initiation verläuft von oben nach unten, aber oft erst auf Druck von unten auf die Stadtverwaltungen und -parlamente. Weil in den USA die politischen Parteien traditionell schwach sind, wird das demokratische Vakuum stärker für die freie Assoziation von Menschen auf lokaler Ebene genutzt. Bürger selbst haben auf diese Weise in den letzten Jahren schon manches Rathaus zu einer Peakoil-konformen Vorsorgepolitik gedrängt, so etwa in San Francisco. Sie machen Druck, z. B. sog. „Peak-Oil-Resolutionen“ im Parlament zu verabschieden, gleichsam die offizielle Anerkennung des Ölfördermaximums als Planungsmotto und strategischer Leitlinie.
Dieser Teil der Bewegung glaubt weniger an originäre „leadership“ durch Politiker oder Verwaltungen, sondern hält sich an die alte Graswurzelmaxime: „When the people leads, the leaders follow“ – wenn das Volk führt, folgen die Führer. Der andere Teil der Bewegung versteht die Energiewende primär als Kulturwende, die die vergleichsweise kurze Ära der Globalisierung und des industrialisierten Lebensstils beenden wird. Ihr geht es nicht um die technische Verlängerung dieser Periode, sondern um ihre Abschaffung – „der Fußabdruck der Menschheit ist für den Planeten einfach zu groß geworden ist“, wie die Umweltstiftung WWF im „Living Planet Report 2008“ schrieb. Wozu dient uns die Energie? Wofür brauchen wir eigentlich die Mobilität? Geht es auch mit weniger, gesünderer, naturverträglicherer Ernährung? Das sind Fragen, um konkrete Veränderungen in kleinen, lokal vernetzten Experimentierzonen auszuprobieren. Konkrete Utopien im Nahbereich, um Pessimismus und Lethargie gar nicht erst entstehen zu lassen – zum Beispiel durch Initiativen zur Installierung von Solar- und Windkraftanlagen oder zur Einrichtung von Schrebergärten, in denen Früchte und Gemüse biologisch-organisch angebaut werden.

Der Ansatz, auf die Stadtregierungen durch Verabschiedungen von Peak-Oil-Resolutionen und -Gesetzgebungen einzuwirken, wurde in vielen Städten bereits Realität, darunter San Francisco in Kalifornien, Portland, Oregon und Bloomington, Indiana.
Der andere Ansatz, der teilweise aus Frust über die verfehlte Klimapolitik der US-Regierung entstand und Ökologie, Klimapolitik und Globalisierungskritik mit Peak-Oil verbindet, wird eher in kleinen Provinz-Gemeinden ausprobiert, neuerdings aber sogar in großen Metropolen wie New York oder Los Angeles. Es sind Initiativen der Relokalisierungsbewegung. In der britischen sog. „Transition Towns„- oder Energiewende-Bewegung begegnen wir ihnen wieder. Diese wird seit kurzem in die USA zurückimportiert, wobei die Unterschiede zwischen den beiden genannten Ansätzen langsam verschwinden. Ich komme am Schluss darauf zurück.

Was sind Peak-Oil-Resolutionen?

In San Francisco war es eine kleine Gruppe von Umweltschützern, die einen Beschlussentwurf an die Stadt herantrug. Ein grüner Dezernent im Stadtrat nahm sich im Frühjahr 2006 des Vorschlags an und sorgte 14 Tage später für die einstimmige Verabschiedung. San Francisco stellt damit auch amtlich die Relevanz des Peak-Oil-Problems fest. Es unterstützt die Finanzierung einer detaillierten Schwachstellen- und Risikostudie städtischer „Aktivitäten“ im weitesten Sinne und wie diese auf steigende Ölpreise reagieren, ganz wie es der Hirsch-Report vorschlägt; mehr nicht. Das Signal war wichtig – wir wollen und können etwas unternehmen! Denn, so einer der Resolutions-Initiatoren: „Wenn man auf Peak Oil zum ersten Mal aufmerksam wird, fragt man sich, was man machen kann. Es ist wichtig, auf einer bestimmten Ebene auch Hoffnung zu geben, daß es möglich ist, die Folgen zu mildern. Deswegen wurde Peak Oil ein Thema, bei dem die Leute sich engagieren. Und deswegen hat es sich auch so verbreitet.“

So wurde San Francisco die erste Stadt mit einer Peak-Oil-Resolution. Eine aus Bürgern und Fachleuten zusammengesetzte Kommission wurde gebildet, die seitdem an verschiedenen Ölverknappungsszenarien und Energieeinsparkonzepten arbeitet.
Die Resolutions-Idee sprach sich herum. In der Universitätsstadt Bloomington, Indiana, griff sie ein demokratischer Stadtrat namens David Rollo kurze Zeit später auf. Er brachte eine eigene Entschließung in den Stadtrat ein, die schon mehr als nur die Forderung nach einer Risikoanalyse umfasste. Peak-Oil wurde hier Leitidee künftiger kommunaler Verordnungen, Planungen und Investitions- Entscheidungen, wenn auch noch nicht verbindlich. Es soll bewusst werden, dass mit Peak Oil nicht nur Kosten, sondern komplexe Probleme entstehen, die zu Not und sozialen Konflikten führen können. Peak-Oil-Resolutionen wollen Behörden und Bürger veranlassen, sich der jeweiligen lokalen Risiken bewusst zu werden und aktiv zu werden.

Die Peak-Oil-Vorbereitungen der Halbmillionenstadt Portland, Oregon, gehen dabei am weitesten. Hier wird Peak Oil als kommunale Herausforderung verstanden: mit verantwortlichen Arbeitsgruppen, sog. Task Forces, zu Wirtschaft, Verkehr, öffentlichen Diensten, aber mit der Erweiterung auf Ernährung und medizinische Versorgung und mit strategischen Vorgaben für die Stadt, bei allen kommunalen Projekten den Verbrauch fossiler Rohstoffe weitgehend zu vermeiden. Den Bürgern wird vermittelt, schon jetzt mit immer weniger Öl auszukommen – von der Plastiktüte über die PET-Flasche bis zum Benzin.

Zielsetzung ist eine Reduktion um 50 Prozent bis 2035. Die Stadt trifft aber auch Vorkehrungen z. B. zum Erhalt und Erwerb öffentlicher Freiflächen, um dort im Ernstfall urbanen Landbau ermöglichen zu können, wenn die industrielle Lebensmittelerzeugung gefährdet ist. Vor allem aber wird auf die Bedürfnisse der ärmeren Bevölkerung geachtet. Da könnten selbst die rotgrünen Peak-Oiler in der Enquetekommission von NRW noch dazulernen. Portland stellt weitsichtig fest, dass Menschen bei steigenden Lebensmittelpreisen – oder bei Nachschubproblemen in den Supermärkten – auch auf den Anbau eigener Nahrungsmittel angewiesen sein können. Die Kommune will dies flächenpolitisch einkalkulieren. Wörtlich: „Da viele Haushalte keinen angemessenen Platz für einen eigenen Garten haben, wird die Nachfrage nach kommunalen Gartenbauflächen zunehmen“. Und schließlich bedenkt die Stadt auch die psychosozialen Folgen, die eine durch Peak Oil verursachte Krisenhaftigkeit der Wirtschaft verursacht – mit Auswirkungen auf die polizeilichen bis hin zu den psychiatrischen Diensten.

Natürlich fehlt in Portland nicht die Ausrichtung auf Erneuerbare Energien, auf den öffentlichen Nahverkehr, auf effiziente Energienutzung, vieles also, was man in Deutschland lange nicht so deutlich einfordern muss wie in den USA. Selbst bei den kommunalen Gartenbauflächen können wir mit unseren Schrebergärten dagegenhalten. Wo in amerikanischen Städten die Wertschätzung freier Flächen wächst, weil diese für die Versorgung ihrer Kieze mit Obst, Gemüse und Geflügelprodukten genutzt werden können, sind in Deutschland solche wertvollen innerstädtischen Gebiete meist als kommunales Tafelsilber längst schon verplant für Industrie- oder Gewerbeansiedlung oder für den Wohnungsbau. Es wäre daher sinnvoll, mit einer amerikanischen Peak-Oil-Resolution in der Hand demnächst auch in Deutschland peakoilorientierte Kommunalpolitik zu machen. Mit einem schon lange brachliegenden Geländestreifen könnte hier in Tübingen ja vielleicht mal ein erster Versuch begonnen werden.

Was tut die grüne Partei?

Ob Sie Ihren grünen Oberbürgermeister allerdings für solch ein Vorhaben begeistern können, wage ich zu bezweifeln. Mit der Bereitschaft der Grünen, sich über die klimawichtige Bereitstellung Erneuerbarer Energien hinaus auch mit den sehr spezifischen Risiken von Peak Oil auseinander zu setzen, steht es leider auch nicht gerade zum besten, MdB Hans-Josef Fell hin oder her. Eine Peakoil-Resolution, die ich für Hamburg erarbeitet und der grünen Fraktion in unserem Landesparlament vor einem Jahr vorgelegt hatte, wurde bis heute nicht behandelt, soll aber jetzt demnächst ein erstes Mal diskutiert werden (sie können Sie selbst mit meinem Namen plus „Peak Oil Resolution“ ergoogeln).

Das hat, wie ich glaube, bei den Grünen mit schlechtem politischen Gewissen zu tun. Die Peak-Oil-Diskussion wird in den USA mit großer Intensität auch als Wachstums- und als Lebensstilkritik bzw. „Fußabdruckdebatte“ geführt. Colin Campbell sagte es anfangs schon: „Wachstum ist ohne billige Energie in Hülle und Fülle unmöglich.“ Viele aktuellen Vorschläge der Grünen hinsichtlich alternativer Energie- und Mobilitätsmodelle gründen letztlich noch immer in dem uneingestandenen Bestreben, die kapitalistische Wachstumsökonomie zu retten, die auch den einzelnen Grünen-Mitgliedern – ich selbst bin eines davon – ein relativ komfortables Leben ermöglicht. Weitermachen wie bisher und Vertrauen in die Technik, aber bitteschön eine im Bioladen erworbene, das ist die Devise. Energiekrise und Klimawandel zu bewältigen wird als staatliche und öffentliche Aufgabe gesehen. An erster Stelle stehen dabei die Forderungen an die Industrie. Oder vereinfacht: Der Produzent ist schuldig, der Konsument ist weniger oder, da manipuliert, eigentlich überhaupt nicht schuldig. Einen reduzierten Lebensstandard vom Einzelnen kann eine Partei auch schlechterdings nicht fordern, die Wahlen gewinnen will und zumindest in Hamburg zu Ferienbeginn in der Schalterhalle des Flughafens noch einen gut besuchten Landesparteitag abhalten könnte.

Mit Windenergie allein können keine Windanlagen gebaut werden

Die Umweltbewegung wird gut daran tun, sich der alten Debatten wieder zu erinnern. „Renewable Energy cannot sustain consumer society“ – Erneuerbare Energien können eine Konsumgesellschaft nicht am Leben erhalten, wie das letztes Jahr erschienene Buch des australischen Wissenschaftlers Ted Trainer heißt – eines der wenigen Buchtitel, die vielen das Lesen eines ganzen Buches ersparen hilft. In diesem Fall lohnt die Lektüre aber. Denn sie zeigt: Die politisch gewollte Strategie der Erneuerbaren korrespondiert mit Konzepten der Energieeffizienz (beide Begriffe werden stets im gleichen Zusammenhang genannt). Sie glaubt, damit einen Königsweg aus der Krise des Fossilismus beschreiten zu können: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Effizienzsteigerung ist freilich nicht gleich weniger verbrauchen, sie beruht auf technisch-wirtschaftlich erst einmal herzustellenden Produkten, die wiederum in hochinvestiven Fabrikationsanlagen hergestellt werden müssen. Denken Sie an die Energiesparlampe oder an den Austausch des alten Benziners gegen ein Hybrid-Auto.

Zu ihrer Herstellung wird selbst wieder fossile Energie und fossiler Treibstoff benötigt, von anderen knappen, die Umwelt belastenden Rohstoffen ganz abgesehen. Auf den adligen Freiherrn von Münchhausen, der sich aus dem Sumpf an den eigenen Haaren herauszieht, folgt leider keine moderne langmähnige Öko-Variante; ich weiß, wovon ich rede! (Lachen an dieser Stelle). Die gegenwärtige Wirtschaftskrise zeigt überdies, dass auch die vernünftigste Industrie eben – Industrie ist! Sie braucht nicht nur Rohstoffe und Erdöl – mit Windenergie kann man keine Windanlagen bauen und transportieren, jedenfalls nicht auf absehbare Zeit. Sie braucht auch Kredite, wenn sie wachsen will – und die gibt es in der derzeitigen Kredit- und Wirtschaftskrise auch für die expansiven Ökoindustrien nicht! Es gibt eben auch hier, frei nach Adorno, kein wahres Leben im falschen. Es sei denn, es würde verstaatlicht und einer eigens aus Steuermitteln finanzierten separaten Ökokonjunktur unterworfen. Dies setzt freilich einen Systemwechsel voraus, gekoppelt mit einer Notfallplanung, wie sie Lester Brown, der Präsident vom Washingtoner „Earth Policy Institute“ sich gerne herbeiphantasiert: die komplette staatlich befohlene Umrüstung einer ganzen Volkswirtschaft auf ein neues gesamtwirtschaftliches Produktionsziel. In Deutschland haben das zuletzt die Nazis mit der rüstungswirtschaftlichen Umsteuerung der deutschen Industrie nach 1933 getan. Les Brown bezieht sich auf die Neuorientierung der US-Wirtschaft auf die Kriegswirtschaft binnen eines halben Jahres nach dem Überfall auf Pearl Harbor 1941. Aber wollen wir Peak Oil und den Klimawandel wirklich als eine Kriegserklärung an die ganze Nation betrachten?

Die Lage ist dennoch ernst, auch wenn niemand, wie der Sozialpsychologe Harald Welzer kürzlich in einem SPIEGEL-Essay schrieb, „die Möglichkeit des kompletten Scheiterns“ unserer Umsteuerungsbemühungen in Betracht zieht – „in dieser Hinsicht sind Finanz-, Energie- und Klimakrise wahlverwandt. Man hält einen Zusammenbruch des Finanz- und Wirtschaftssystems einfach für unmöglich, und ebenso wenig kann man sich vorstellen, dass die fossilen Ressourcen schon in wenigen Jahren so knapp werden, dass selbst in den reichsten Ländern der Welt Bezieher von niedrigen Einkommen ihre Wohnung nicht mehr heizen können. Und man weigert sich zu glauben, dass bei einem weiteren Anstieg der Erderwärmung das Klimasystem aus der Balance gerät und die Lebensbedingungen schon derjenigen, die heute Kinder und Jugendliche sind, radikal einschränken wird. Es handelt sich um Megaprobleme, für die es derzeit keine Lösungen gibt.“

Die Energiewendestadt

Dass das Ängste, Hoffnungslosigkeit und womöglich Panik auslösen kann, das weiß ganz besonders ein Konzept, das ich Ihnen zum Schluss vorstellen möchte. Es ist in unserem Zusammenhang das Hoffnungskonzept schlechthin, weil es die wichtigsten Ressourcen in den Mittelpunkt setzt, über die Menschen verfügen: den Mut zur konkreten Utopie – auch ein Blochscher Begriff – und die Fähigkeit, nützliche Pläne zu machen und gemeinsam umzusetzen. In unserem Fall solche, mit denen gleich mehrere Dinge erreicht werden können: eine deutliche Verringerung klimaschädlicher Abgase, eine deutliche Verbrauchsreduktion fossiler Energien und Treibstoffe und nicht zuletzt eine deutliche Verbesserung der sozialen und psychischen Wohlfühlfaktoren im nächstliegenden Umfeld, sprich in der eigenen Stadt, im eigenen Dorf. Das Konzept, auf dem dies basiert, nennt sich in Großbritannien und Irland „Transition Town“, zu Deutsch: Energiewendestadt.

Miteinander distanziert oder abweisend umgehende Menschen können zur Idee der Transition Town nichts beitragen, befand ihr Ideengeber und Gründer Rob Hopkins, 40, ein Dozent für „Permakultur“, „Permanente Agrikultur“. Deswegen heißt die erste Regel für einen Transition Towner: Grüße täglich deinen Nachbarn! Denn die Energiewende ist, ich sagte es bereits, eine Kulturwende, die bei jedem Einzelnen beginnt. Um was geht’s bei den Energiewendestädten? Vereinfacht gesagt um die Wiederentdeckung der Region und der lokalen Nachbarschaft. Re-Lokalisierung soll die Basis werden für eine nachhaltige, ökologische ausgerichtete Wirtschafts- und Lebensweise, die den Erschütterungen der kommenden Energiekrise besser widerstehen kann. 35 irische und britische Gemeinden – die größte ist Bristol mit 700.000 Einwohnern – haben sich in den letzten zwei Jahren zu solchen Städten erklärt. Eigentlich sind es viele einzelne, untereinander vernetzte Bürgerinitiativen und Projekte, die unter dem Namen ihrer jeweiligen „Transition Town“ miteinander kooperieren. So entsteht zuerst hier, dann dort, dann dazwischen und schließlich im ganzen Land ein Geflecht, in dem der Übergang in eine nachfossile, entglobalisierte Wirtschaft erprobt und entwickelt wird.

Hopkins warnt: Gelingt es uns nicht, der Abhängigkeit von fossilen Energien zu entkommen, dann werden die Wirtschaft und am Ende die sozialen Sicherungssysteme versagen. Chaos, Anarchie und Barbarei werden folgen und die staatliche und gesellschaftliche Ordnung gefährden. Nichts anderes meint im Kern die Aufforderung der Internationalen Energieagentur, wir sollten das Öl schneller verlassen, ehe es uns verlässt. Denn Regierungen brauchen in der Regel viel zu lange, um solche Herausforderung zu begreifen und angemessen zu handeln. Es gibt einfach zu viele Interessengruppen, die den Status Quo erhalten und von ihm profitieren wollen – und nicht zuletzt die Angst der Politiker, durch Hinweise auf mögliche düstere Perspektiven sich die Gunst der Wähler zu verscherzen.

„Big change starts with personal change“ – oder: Am Anfang steht die persönliche Entscheidung, aus dem konsumeristischen Lebensstil auszusteigen und den Pfad der verschwenderischen industrialisierten Lebens- und Ernährungsweise zu verlassen. Das lässt sich am besten in kleinen überschaubaren Gemeinden, Kleinstädten oder städtischen Kiezen erreichen. Das ist der zentrale Fokus der Relokalisierungs-Bewegung, die sich damit in die Gegenrichtung zur globalen Urbanisierungstendenz bewegt; inzwischen lebt ja schon mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Groß- und Mega-Städten, die alle ein Kind des fossilen Zeitalters sind und mit dessen Ende in einer lang anhaltenden Periode volle Krisen und Konflikte gleichfalls verschwinden werden. Wenn nicht jetzt begonnen wird, dagegen zu arbeiten.

Relokalisierung fragt: wie bekommt man, was man zum Überleben braucht, auf lokaler Basis: Nahrung, Energie, Waren des täglichen Bedarfs? Wenn man es dort nicht bekommt – z. B. weil man keine lokale Nahrungsmittelproduktion hat – dann schaut man, wie man eine solche beginnen kann. Die Bewegung begann unter dem Namen „Community Solutions“ in den USA, eine Bewegung für mehr sich selbst versorgenden lokale Gemeinden.

Gegenwärtig sind nur wenige Prozent der Arbeiterschaft der „Ersten Welt“ in der Landwirtschaft beschäftigt, dank fossiler Treibstoffe, die die mühsame Handarbeit abgelöst haben und in bei das Prinzip galt (wie es noch immer in weiten Teilen der „Dritten Welt“ gilt: 1 Arbeitskalorie produziert mehr als 1 Nahrungsmittelkalorie. In der industrialisierten Landwirtschaft werden 10 fossile Kalorien in 1 Nahrungsmittelkalorie gepumpt. Deswegen braucht „Peak Oil“ einen viel weitergehenden Ansatz als es bisher die Effizienz- und Erneuerbare-Energien-Bewegung propagiert.

Produziert, kauft und lagert die Lebensmittel und alles andere, was Ihr braucht, so weit es geht vor Ort! Und: Vermeidet industriell erzeugte Nahrung! Das ist die erste Kernbotschaft der „Transition Towns“.
Die zweite lautet: Verbrauchs- und Energiesenkung muss der treibende Motor der sich entglobalisierenden und sich entschleunigenden Zivilisation in diesem Jahrhundert werden, so wie der konsumbasierte Wohlstand das letzte Jahrhundert bestimmte. Denn wir müssen noch Energieressourcen zurückbehalten, um mit ihnen die Zukunft gestalten zu können. Eine lokale Gemeinschaft engagierter Energiesenkungswilliger zu formen ist erst einmal schwer – weil es v. a. darum gehen wird, den Verbrauch jedes Einzelnen von uns zu reduzieren. Das bringt Opfer mit sich: Man muß den Thermostat zurückdrehen, wird weniger fliegen, kein Plastik verwenden, Autos nur gemeinsam nutzen usw. Man muss sich aber auch klarmachen:
Es geht nicht allein um „sparsameres Verhalten“, etwa im Autoverkehr, wozu der ADAC und die Regierung uns gerne anhalten, weil sie uns das Auto als Wirtschaftsfaktor und die Lust am Auto erhalten wollen. Es geht um weniger individuelles Autofahren und unnötige Mobilität. Selbst die eigene Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien oder die lokale Treibstoffproduktion aus Biomasse der Umgebung, wie sie etwa das Bioenergiedorf Jühnde praktiziert, wird – aufs ganze Land hochgerechnet – den verschwendungsorientierten Lebensstil nicht aufrecht erhalten können. Das berühmte Bioenergiedorf Jühnde bei Göttingen ist eine Initiative der Dorfgemeinschaft, mit Energiepflanzen Strom und Nahwärme in geschlossenen Stoffkreisläufen selbst zu erzeugen.

Wie mein Freund Bernd Ohm berechnete, beträgt der Verstädterungsgrad in Deutschland 88 Prozent, es leben also noch 12 Prozent auf dem Dorf. Da in Jühnde nur 70 Prozent mitmachen, geht es sogar nur um gut 8 Prozent. Nehmen wir an, jedes deutsche Dorf würde sich entschließen, ebenfalls ein Bioenergiedorf zu werden. Mit einem Mal würden ein Drittel der deutschen Agrarfläche und ein Fünftel der Gesamtwaldfläche benötigt, um diese gut 8 Prozent der Bevölkerung allein mit Strom und Heizung zu versorgen! Und was, wenn auch noch ihre Autos mit Biokraftstoff betrieben werden sollen? Es ist offensichtlich, dass dies nicht möglich ist, ein neues Beispiel für den erwähnten Buchtitel von Ted Trainer: „Erneuerbare Energie kann keine Konsumgesellschaft aufrecht erhalten“ (SPRINGER VERLAG Heidelberg).

Hier zeigt sich die Wichtigkeit der „Energiesenkung“, also der drastischen Reduzierung des Energieverbrauchs, wie sie vom Transition-Konzept vertreten wird. Es reicht nicht (und das ist ja die typisch deutsche Vorstellung einer „Energiewende“), unsere technische Infrastruktur auf Agrotreibstoffe und Windenergie umzustellen, wenn nicht gleichzeitig diese Infrastruktur und unsere ganze Lebensweise so umgestaltet werden, dass ein um Größenordnungen niedrigerer Energieverbrauch möglich wird. Dieses Ziel zu erreichen – und das bei einer Verbesserung der Lebensqualität! – ist das Anliegen der Transition-Bewegung, die in diesem Sinne von vornherein einen tiefer gehenden Ansatz als viele der bisherigen Bemühungen in Deutschland verfolgt.

Ohne nette Nachbarn wird das nicht gehen, die uns nicht schief ansehen, wenn wir unser Auto ersatzlos auf den Schrottplatz fahren und die Abwrackprämie benutzen, um auf dem Wochenmarkt heimisches Gemüse und frische Blumen aus Derendingen zu kaufen. Das Prinzip Hoffnung ist eine Vision, und sie beginnt mit einem konkreten Projekt. Es kann gleich morgen früh losgehen. Lächeln wir also, wenn wir dem Nachbarn wieder mal im Treppenhaus begegnen!

© Paul Nellen, 2009 – Vortrag am 21. Januar 2009 im Rahmen des Studium Generale „Peak Oil: Wege in die postfossile Gesellschaft“ an der Uni Tübingen unter dem Titel „Übertragbarkeit amerikanischer und britischer Strategien auf deutsche Verhältnisse“

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Über den Autor

Paul Nellen ist mehr oder weniger der einzige deutsche Journalist, der sich bis heute intensiver mit dem Thema Peak Oil beschäftigt hat. In seinen Radiofeatures Spurwechsel – Vor dem Übergang in die Nach-Erdölzeit (DLF 2006) und Out of Oil (WDR 2007) hat er die Stimmen führender – deutscher wie internationaler – Vertreter der Peak-Oil-Community einem größerem Publikum vorgestellt und sich intensiv mit den Lösungsansätzen
beschäftigt, die in einzelnen US-Gemeinden vor Ort verfolgt werden.

Weitere Infos: transitiontowns.org

Featured Image: Dieter Schütz / PIXELIO


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www.lifeinfo.de. www.wdr5.de/fileadmin/user_upload/Sendungen/Dok5_das_Feature/2008/Manuskripte/out_of_oil_korrigiert.pdf. Links veraltet. 4.4.24


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