Nicht nur die Nachfrage für Rohstoffe wie Kupfer, Nickel, Eisen, Öl, Kohle und Co. steigt kontinuierlich, auch die Preise klettern nach oben. 2010 schoss der Rohstoffpreisindex des Weltwirtschaftsinstituts – in Euro berechnet – um mehr als 30 Prozent nach oben. Denn trotz aller Krisen, die Wachstumsdynamik in den Schwellen- und Entwicklungsländer wird die Nachfrage nach Rohstoffen langfristig vervielfachen. Besonders schnell wächst der Bedarf an raren Metallen und Seltenen Erden. Vielfach stecken die Stoffe schon in vorhandenen Produkten, aber sie lassen sich nur schwer wieder in den Stoffkreislauf zurückholen. »Genau hier beginnt die Aufgabe der Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS«, erklärt Prof. Gerhard Sextl, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC, der gemeinsam mit Partnerfirmen des Materials Valley e.V. die Gründung maßgeblich initiierte. »Zunächst sollen dort valide Daten zu den globalen Stoffkreisläufen zusammengetragen und analysiert werden, um Ressourcenstrategien erstellen zu können. Parallel dazu werden neue Verfahren zum Recycling von kritischen Wertstoffen unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten entwickelt«.
Das umschreibt in knappen Worten zwei der drei Bereiche, auf denen das IWKS arbeiten wird: Unter der Überschrift »Wertstoffkreisläufe und Resourcenstrategien«, geht es darum, Wertstoffströme zu analysieren.
Welche Rohstoffe benötigen einzelne Industriezweige und Produkte? Stehen die erforderlichen Mengen zu Verfügung und können sie geliefert werden?
Aufbauend auf diesen Fragestellungen will das Team am IWKS Studien und Ressourcenstrategien erstellen, so dass sich aufkommende Engpässe voraussehen, vermeiden oder ausgleichen lassen, sowie Handlungsoptionen für Wirtschaft und Politik abgeleitet werden können. Im Bereich »Recycling-Technologien« ist das Ziel der Wissenschaftler möglichst viele Wertstoffe unter strengen wirtschaftlichen Kriterien zurück zu gewinnen.
So will das Team am IWKS beispielsweise Schlacken und Industrieabfälle untersuchen, um herauszufinden, welche Metalle sie enthalten, die sich weiter nutzen lassen und dann auch die entsprechende Technologie für die Rückgewinnung entwickeln. Ebenso stehen Produktionsabfälle und Produkte aus der kunststoffverarbeitenden und der Spezialglasindustrie auf dem Forschungsprogramm der Projektgruppe.
Feinverteilung von Funktionsmetallen macht Rückgewinnung schwierig
Ein anderes Beispiel ist Elektroschrott: Unsere Unterhaltungs- und Kommunikationsgeräte stecken voller unterschiedlichster Funktionsmetalle.
Fast das ganze Periodensystem kommt hier zum Einsatz, im Handy sind es bis zu 30 verschiedene, in einem Computer bis zu 50. Aber oft sind diese Metalle – ohne die nichts funktioniert – nur in winzigen Mengen in einem Gerät. »Betrachtet man das Produkt Handy wird schnell deutlich wie sich die Feinverteilung der Metalle – man sagt dazu auch Dissipation – auswirken«, erklärt Prof. Armin Reller, Leiter der Projektgruppe.
»Die Weltjahresproduktion von Indium liegt bei etwa 600 Tonnen. In Handys eingebaut – hier liegt die Weltproduktion weit über 1 Milliarde Stück pro Jahr – ist es im einzelnen Produkt nur in kleinen Mengen vorhanden.
Dadurch wird es fein verteilt und – wenn kein optimiertes Recycling stattfindet – dissipiert. Das Problem ist, dass uns durch diese Feinverteilung in Alltagsprodukten manche Rohstoffe zwischen den Fingern zerrinnen, weil es nicht gelingt, sie wirtschaftlich dem Stoffkreislauf wieder zu zuführen«.
Am besten ist es da, direkt beim Produktdesign anzusetzen und schon Entwurf und Konstruktion so anzulegen, dass sich die Wertstoffe erneut oder weiter nutzen lassen. Enormes Potential sieht Prof. Dr. Armin Reller auch im Bereich der erneuerbaren Energien: »Betrachtet man den Boom bei den neuen Energietechnologien – Solar- und Windkraftwerke – dann muss man eigentlich heute schon an den Re-Use, das Re-Manufacturing oder das Recycling der eingesetzten Funktionsmaterialien denken. Denn für viele dieser Wertstoffe ist es lohnenswert, sie wiederzugewinnen und weiter zu verwenden«.
Im dritten Themengebiet der Fraunhofer-Projektgruppe IWKS geht es um die Substitution von Rohstoffen. Die Wissenschaftler werden Werkstoffe, Prozesse und Produkte identifizieren und entwickeln, die zum einen die Rohstoffeffizienz erhöhen und zum anderen kritische Rohstoffe ersetzen können. Kritisch bedeutet in diesem Zusammenhang, Stoffe die knapp sind oder werden, weil die Quellen endlich sind oder weil ihr Abbau in Krisengebieten erfolgt. Die Projektgruppe soll ökonomisch und ökologisch sinnvolle Werkstoffalternativen entwickeln, für eine langfristig gesicherte Rohstoffversorgung der verarbeitenden Industrie.
Das Land Bayern hat für den Aufbau der Projektgruppe eine Anschubfinanzierung in Höhe von 5 Millionen Euro für die ersten drei Jahre zugesagt. Anlässlich der Einweihung übergab der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil den Bewilligungsbescheid an Prof. Gerhard Sextl. Und vor kurzem hat auch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst grünes Licht gegeben und eine Förderung für einen zukünftig in Hanau ansässigen Teil der Projektgruppe angekündigt, der Lösungen für die Substitution von kritischen Rohstoffen entwickeln wird.