23. Juli 2010 | Studie über Einstellungen der Deutschen

Ambivalente Umweltschützer

von Matthias Adel. Frankfurt am Main


Eine neue Studie belegt die ambivalente Einstellung der Deutschen zu den Themen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und ökologische Produkte. Über ein Drittel der Befragten hält Umweltprobleme für bedenklicher als wirtschaftliche Situation, dennoch sinkt die Bedeutung der Umweltfreundlichkeit von Unternehmen.

Lesezeit 4 Minuten

Die Umwelt bereitet den Deutschen große Sorgen: Mehr als ein Drittel der Menschen hält trotz der Finanzkrise den Zustand der Umwelt für bedenklicher als die wirtschaftliche Situation – im Vergleich zu 2009 entspricht das einer Steigerung um sechs Prozentpunkte. Nur noch 40 Prozent glauben, dass sich der Zustand der Umwelt in die richtige Richtung entwickelt – das sind sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Vor allem die Angst vor dem Klimawandel steigt, er wird in der Mehrheit der Länder als größtes Umweltproblem gesehen. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse der internationalen Green Brands Studie 2010, die Penn, Schoen & Berland Associates, Esty Environmental Partners, Landor Associates und Cohn & Wolfe Public Relations in acht Ländern erhoben hat.

Doch der naheliegende Rückkehrschluss, dass gleichzeitig die Bedeutung der Umweltfreundlichkeit von Unternehmen steigt, wird nicht bestätigt. Denn der Anteil der Menschen, denen Umweltfreundlichkeit von Unternehmen ziemlich wichtig oder sehr wichtig ist, sank im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozentpunkte auf 63 Prozent. Hier offenbart sich ein ambivalentes Verhältnis der Deutschen zu den Themen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und ökologische Produkte.

Kein grüner Consumerism

In Fragen des Umweltschutzes liegt das Vertrauen der Konsumenten in die Handlungskompetenz nichtstaatlicher Organisationen (NGOs) ungebrochen hoch bei 83 Prozent. Das Vertrauen in die Bundesregierung und Unternehmen fiel dagegen auf 37 respektive 41 Prozent. Gleichzeitig sank im Vergleich zum Vorjahr auch das Vertrauen, dass Einzelpersonen erfolgreich zum Umweltschutz beitragen können, mit einem Minus von acht Prozentpunkten auf 52 Prozent. Vergleicht man diese Zahlen mit den amerikanischen Ergebnissen, zeigt sich ein spannender Unterschied: Hier wird die Kompetenz von NGOs (73 Prozent) und Individuen (70 Prozent) im Umweltschutz fast gleich stark bewertet. Dies illustriert, dass die Idee von der Macht des Konsumenten, der durch den Kauf grüner Produkte aktiv Einfluss auf die Umweltproblematik nimmt (Grüner Consumerism), in Deutschland weniger stark ausgeprägt bzw. noch nicht angekommen ist. „Die Paradoxie zwischen Problembewusstsein und der Wichtigkeit der Umweltfreundlichkeit von Unternehmen deutet auf eine Ernüchterung unter Konsumenten hin. 2010 sehen wir keinen starken, selbstbewussten Verbraucher – sondern einen, der auf seinen Einfluss auf Umweltfragen nicht vertraut. Der Kauf grüner Produkte ist kein bewusster Protest, sondern mehr oder minder eine Lifestylefrage“, so Felix Stöckle, Geschäftsführer Landor Associates.

Die Umwelt schützen – das Haushaltsbudget schonen

Die Bereitschaft, auch im kommenden Jahr genauso viel oder mehr Geld für grüne Produkte auszugeben, ist in Deutschland unverändert hoch bei 80 Prozent. Denn für fast drei Viertel der Befragten ist es 2010 ziemlich oder sogar sehr wichtig, dass die gekauften Produkte ihre persönliche Wertvorstellung widerspiegeln. Umweltfreundlichkeit ist nach Faktoren wie der Produktqualität oder dem generellen Vertrauen in die Marke viertwichtigster Kauffaktor. Beim Trend zum „Grünsein“ ist jedoch feststellbar, dass der unmittelbare Nutzen beim Kauf grüner Produkte eine große Rolle spielt. Entsprechend führen Lebensmittel (66 Prozent) und Produkte, die Energie und Wasser sparen (65 Prozent), die Kaufrangliste an. Während sich Produkte, die zum Beispiel der CO2-Reduktion dienen und keinen unmittelbaren, persönlichen Nutzen für den Konsumenten haben, mit 24 Prozent weit hinten anstellen müssen. Bei der Frage nach geplanten Ausgaben überholen die energie- oder wassersparenden Produkte sogar die Lebensmittel und bestätigen damit Energiesparen als zukünftiges Trendthema. „Das Motto 2010 lautet: Die Umwelt schützen und das Haushaltsbudget schonen. Konsumenten haben entdeckt, welche persönlichen Vorteile sich aus dem Kauf grüner Produkte ziehen lassen – das wird beim neuen Trendthema Energiesparen deutlich. Das Thema Umweltschutz hat einen starken Ego-Bezug, den es auch kommunikationsstrategisch zu beachten gilt“, sagt Christiane Dirkes, Geschäftsführerin Cohn & Wolfe Deutschland.

Glaubwürdig Grün

Welches grüne Produkt als glaubwürdig empfunden wird, das entscheiden nach wie vor die Siegel – und das nicht nur in Deutschland, sondern auch international. Daneben bleibt die Transparenz in der Kommunikation für grüne Marken wichtig: Konsumenten wünschen sich vor allem genaue Angaben über die Inhaltsstoffe eines Produktes sowie des Herkunftslandes. „Das Bedürfnis, genau über Inhaltsstoffe und Herkunft des Produktes Bescheid wissen zu wollen, zeigt uns, dass in der Kommunikation für grüne Marken neben emotionalen immer auch rationale Aspekte in den Fokus gerückt werden müssen – auch wenn grüne Produkte oft als Lifestyleprodukte konsumiert werden. Bezeichnungen wie ‚grün‘ oder ‚umweltfreundlich‘ müssen für den Konsumenten faktisch belegbar und nachvollziehbar sein“, sagt Christiane Dirkes, Geschäftsführerin Cohn & Wolfe Deutschland.

Die Studie zeigt, dass sich die Kommunikation für grüne Produkte in der Mehrheit an informierte Verbraucher richtet: Fast 60 Prozent der Befragten informieren sich mehrmals im Monat oder häufiger durch TV-Programme oder Zeitungsartikel über Umweltthemen, auch wenn die tägliche Information im Vergleich zum Vorjahr abgenommen hat. Das Internet ist dabei nach wie vor die wichtigste Informationsquelle zum Thema Umweltschutz. Und auch wenn fast die Hälfte der Befragten mehrmals im Monat oder häufiger Werbung für umweltfreundliche oder grüne Produkte sieht, sank dennoch der Anteil derjenigen, die Werbung für grüne Produkte als hilfreich für die Kaufentscheidung empfinden, im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent. „Wir müssen in der Kommunikation für grüne Produkte noch einige Hürden nehmen, um Glaubwürdigkeit zu erreichen und größeres Bewusstsein darüber erlangen, dass wir mit informierten Konsumenten kommunizieren. Das bloße Streuen von Produktattributen wie ‚umweltfreundlich‘ oder ’nachhaltig‘ reicht nicht aus. Green Branding 2010 muss die Säulen Lifestyleanspruch, Konsumentennutzen und überprüfbarer Umweltnutzen geschickt miteinander verknüpfen“, so Felix Stöckle, Geschäftsführer Landor Associates GmbH.

Über die Studie

Methode: Online-Interviews mit 1.120 Teilnehmern (Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren) im Zeitraum vom 27.02.2010 bis 24.03.2010.

Featured Image: Stephanie Hofschlaeger / PIXELIO


landor.com/go/greenbrands2010germany. Link veraltet. 4.4.24


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