31. Juli 2007 | Vermittelte Kunst

Kunstunterricht in der Rütli-Schule

von Ulrike Baade. Berlin


Die Schreckensnachricht geisterte lange durch die deutsche Medienlandschaft: Lehrer der Rütli-Schule sahen sich nicht mehr im Stande, ihre Schüler zu unterrichten. Als Kunstlehrerin an der Rütli-Schule glaube ich an meine Schüler und an die Notwendigkeit, ihnen Kunst näher zu bringen. Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und Kreativität, davon können die Rütli-Schüler nicht genug haben.

Lesezeit 2 Minuten

Seit 10 Jahren arbeite ich an der Rütli-Schule. Ich ließ mich damals auf eigenen Wunsch in diese Schule versetzen, da mich die Arbeit mit schwierigen Schülern aus Migrantenfamilien interessiert. Ich brachte langjährige Erfahrungen aus anderen Bildungseinrichtungen mit und war ziemlich aufgeregt! Schnell merkte ich, das der Unterricht in Kunst nicht leistungsorientiert sein kann wenn ich die Schüler für mein Fach begeistern möchte. Ich war trotzdem der Überzeugung, dass mein Fach im besonderem Maße diesen jungen Menschen in der Hauptschule die Möglichkeit gibt,Kreativität, Fantasie, Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Mein Ziel war es ,prozesshaftes Arbeiten und Lernen zu initiieren, die Schüler dabei zu begleiten und ergebnisorientiert aus dem Prozess zu arbeiten. Für mich bedeutet Kunst in der Hauptschule eine Vielfalt von Ausdrucksformen anzubieten, dabei Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit ihnen zu entwickeln und dem Schüler genügend Raum für eigene Lösungsmöglichkeiten zu lassen.

Schülerorientierte Herangehensweise in der Vermittlung sowie prozessorientiertes Arbeiten bei der Umsetzung der Aufgaben bringt diesen jungen Menschen Erfolgserlebnisse, die für ihre Entwicklung so wichtig sind. Für mich als Kunstlehrerin heißt das, Themen zu entwickeln, die eine individuelle Wahl geeigneter Gestaltungsmittel zulässt, oder Form und Aufbau des Bildgegenstandes ihnen freistellt.Es geht nicht darum, Fertigkeiten wie „richtiges Zeichnen“ oder „Farbübungen“ wenn möglich diese noch vorgegeben zu bewerten,sondern die Beschäftigung mit den Gestaltungsmittel dient der Umsetzung von Themen, die an der Erlebnis- und Erfahrungswelt der Schüler orientiert sind. Wichtig ist es, dass jeder Schüler dabei seine Stärken in den Arbeitsprozess mit einbringen kann.Dann ist er auch bereit, auf der Basis eigener Erfolgserlebnisse offen für neue Bildungsinhalte zu sein.

Kunst ist eng verbunden mit Kreativität.In der positiven Auseinandersetzung mit künstlerischen Themen wird die eigene Wahrnehmung geschult, Erfolgserlebnisse geschaffen, bei denen eigene Stärken bewusst gemacht werden bzw. entwickelt werden. Selbstbewusstsein, Selbstständigkeit, Kreativität: diese jungen Menschen können nicht genug davon haben, um sich mit ihrer Umwelt, ihrem kulturellem Hintergrund auseinander zu setzen und letztendlich ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.

Kunstunterricht ist für mich auch Projektarbeit in Partnerschaft mit Künstlern und damit gleichzeitig ein ganz besonderer Ansatz zur Bewältigung von Integrationsproblemen.

„Ich fordere dich, weil ich dich achte!“ , dieser Ausspruch des russischen Pädagogen Makarenko begleitet mich seit meinem Studium und ist immer noch maßgebend für meine Arbeit. Was heißt das? Nicht Bildungsinhalte verwehren in dem „guten Glauben“, dass „braucht ihr nicht!“, sondern diese so vermitteln, dass sie auch für diese Schüler erfahrbar werden und sie annehmen können. Diese ermutigende Erfahrung mache ich immer wieder in meiner Arbeit und lässt mich offen für Neues sein.

Für mich bedeutet das insbesondere in meiner Arbeit, keinen Stillstand, nicht „Ausruhen“ auf Altbewährten,sondern aktives Auseinandersetzen mit der zeitgenössischen Kunst und ihren Strömungen.

Ich wünsche mir, dass das Fach Kunst mit seinen besonderen Möglichkeiten noch mehr Bestandteil der gesamten Schulkultur wird und sein Anteil im gesamten Bildungs-und Erziehungsprozess mehr Beachtung beigemessen wird, als wie es gegenwärtig an vielen Hauptschulen noch ist.

© Ulrike Baade, 31.07.2007


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