Journalismus erfüllt in der ausdifferenzierten Mediengesellschaft wichtige Funktionen: er informiert, kritisiert, kontrolliert und unterhält. Politikjournalisten kommt dabei ein besonderer Status zu, denn in ihren Aufgabenbereich fällt das, was als Kern demokratischer Entscheidungsprozesse betrachtet wird. Sie liefern und verhandeln in der Medienöffentlichkeit Informationen, die den Bürgerinnen und Bürgern als Grundlage für die eigene Orientierung und Meinungsbildung dienen. Aktuell sehen sich Politikjournalisten jedoch mit zunehmend schwierigen Produktionsbedingungen konfrontiert: ökonomischer Druck und gestiegene Anforderungen durch Digitalisierung werden als Bedrohung für journalistische Qualität wahrgenommen.
Finanziert vom Deutschen Fachjournalisten-Verband (DFJV) und der Gesellschaft für Fachjournalistik, wurden unter Leitung von Prof. Margreth Lünenborg am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin Politikjournalisten in deutschen Medien online befragt. Mit einem Rücklauf von 916 vollständig beantworteten Fragebögen (17,3 %) liefern die Daten valide Aussagen über Merkmale und Selbstverständnis von Politikjournalisten in Deutschland.
Ergebnisse der Online-Befragung: Männer im Politikressort überrepräsentiert
Der „typische Politikjournalist“ ist ein Mann (68 %), im Durchschnitt 46 Jahre alt, verheiratet (55,1 %) oder in einer festen Partnerschaft lebend (31,1 %) und hat Kinder (61,6 %). Er hat einen Hochschulabschluss (73,9 %), arbeitet seit ca. 19 Jahren als Redakteur bei einer Tageszeitung (33,2 %) oder beim Fernsehen (23,2 %), wahrscheinlich in Berlin (27,1 %), Bayern (15,7 %) oder Nordrhein-Westfalen (14,7 %). Dabei verdient er im Durchschnitt 2.900 € netto im Monat. Seine eigene politische Einstellung schätzt er leicht links von der Mitte ein und neigt am stärksten der Partei Bündnis 90/Die Grünen zu. Frauen sind mit einem Anteil von einem Drittel im Politikjournalismus ähnlich unterrepräsentiert wie im Journalismus insgesamt. Das Geschlechterverhältnis und die Gehaltsdifferenz verschlechtern sich zu Lasten der Frauen mit steigendem Alter und ansteigender Hierarchie.
Immer mehr Arbeit am Newsdesk
Die Auflösung traditioneller Ressortstrukturen macht sich zunehmend auch im Politikjournalismus bemerkbar. Mehr als ein Drittel der befragten Journalisten geben an, in Redaktionen ohne feste Ressortstrukturen zu arbeiten. Drei Viertel bestätigen, dass in ihren Redaktionen Newsdesks oder ähnliche zentrale Produktionseinheiten eingesetzt werden.
Erklären, informieren und unterhalten
Das professionelle Selbstverständnis wandelt sich: Erwartungen und Bedürfnisse des Publikums gewinnen für Politikjournalisten zunehmend an Bedeutung. Dem Publikum „komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln“ zu wollen, ist wichtiger geworden als die neutrale, präzise Information. Politikjournalisten investieren mehr Zeit in Publikumskontakte. Die Mehrzahl der Politikjournalisten informiert sich aktiv über Reichweiten-, Marktforschungs- und Verkaufszahlen der eigenen Medienprodukte. Hier zeigt sich eine verstärkte Publikumsorientierung der Politikjournalisten, die zumindest teilweise ökonomisch induziert ist.
Journalistische Selbstreferenz nimmt durch Online-Nutzung zu
Online-Informationsquellen spielen für Politikjournalisten eine zentrale Rolle. Neun von zehn Journalisten nutzen häufig oder sehr häufig Internet-Suchmaschinen, davon zwei Drittel Nachrichten-Suchmaschinen. Die journalistische Selbstreferenz erhöht sich damit durch das Internet weiter. Eine zentrale Position als Leitmedium kommt hierbei Spiegel Online zu, das von neun von zehn Politikjournalisten regelmäßig genutzt wird.
Stetig wachsender Arbeitsdruck auf Journalistinnen und Journalisten
Die Arbeitssituation im Politikjournalismus hat sich nach Ansicht der Journalisten in den letzten fünf Jahren insgesamt verschlechtert. Medienübergreifend bestätigen die befragten Journalisten eine negative Veränderung der Arbeitssituation in der eigenen Redaktion: Drei Viertel der Befragten (74,3 %) geben an, der Arbeitsdruck habe zugenommen oder stark zugenommen. Über die Hälfte (54,5 %) konstatiert eine Abnahme der personellen Ausstattung in der Redaktion und knapp die Hälfte (46,8 %) beklagt eine Abnahme der Zeit für Recherche.