Kriegsführer, seien es römische Imperatoren, griechische Feldherren oder europäische Heeresführer, wussten schon immer, wie bedeutsam öffentlichkeitswirksame Information für ihre militärischen und propagandistischen Zwecke waren. Der römische Feldherr und Staatsmann Gaius Julius Caesar schrieb mit den „Commentarii de bello Gallico“ (lat.= Aufzeichnungen über den Gallischen Krieg) die erste authentische Kriegsberichterstattung. Er richtete seine Kriegsberichte an die römische Öffentlichkeit, um so seine militärischen Aktionen im besten Sinne Roms erscheinen zu lassen. Mit differenzierter Berichterstattung hat das freilich nichts zu tun. Mehr Lateinschüler der heutigen Zeit befassen sich mit dieser Lektüre als römische Bürger zur Zeit Cäsars.
„Drei feindliche Zeitungen sind mehr zu fürchten als tausend Bajonette“
Erst mit der Erfindung des Buchdrucks hatte ein großes Publikum Zugang zu Kriegsberichten. Zuvor waren der breiten Öffentlichkeit Kriegsberichte nur mündlich von heimkehrenden Soldaten überliefert worden. Mit der Herausbildung eines periodischen Zeitungswesens im 17. Jahrhundert begannen Medien eine eigenständige Rolle in der sicherheitspolitischen Kommunikation einzunehmen. Napoleon Bonaparte erkannte dabei das große Potenzial einer selbstgesteuerten Verbreitung der Kriegsinformationen. Wie schon Cäsar machte er seine kriegerischen Erfolge publik. Nur er schrieb sie nicht selbst, sondern ließ dies durch die eigens eingeführte Armeezeitung geschehen. Die restliche Presse seiner Zeit drangsalierte er und war bemüht, nur ihm freundliche Meldungen und Nachrichten verbreiten zu lassen, denn schon er wusste: „Drei feindliche Zeitungen sind mehr zu fürchten als tausend Bajonette“.
„Der Krieg ist Vater und Ernährer der frühen Zeitung“
Der Pressehistoriker Gerhard Piccard geht sogar soweit, den Krieg als „Vater und Ernährer der frühen Zeitung“ zu bezeichnen. Dabei entwickelten sich im Journalismus erst im 19. Jahrhundert Qualitätsstandards, die den Prinzipien des heutigen Informations-Journalismus entsprechen. Mit der aufkommenden Fotografie wurde die Berichterstattung dabei um eine weitere sehr wichtige, die bildliche Ebene erweitert.
Als einer der renommierteste moderne Kriegsberichterstatter gilt William Howard Russell. Er berichtete für die Londoner Times über den Krimkrieg (1853 – 1856) und machte sich dabei die schnelle Nachrichtenübermittlung zunutze. Mithilfe neuer Technologien wie den Telegrafen und die Fotografie brachte Russell den Krimkrieg unmittelbar in die Wohnzimmer der europäischen Zeitungsleser. Seine neutrale Berichterstattung samt detaillierter Ausführung über die miserable Lage der Soldaten führte zur Entrüstung der Zeitungsleser und zu Protesten des Militärs. Es kam zur Zensur.
Da nur Militärs Zugang zur neuen Technologie der Telegrafie hatten, war es für einen unparteiischen Kriegsreporter nunmehr nur möglich, Artikel per Feldpost an Heimatredaktionen zu senden. Aufgabe der Kriegsreporter war jedoch zu dieser Zeit vielmehr die Verfassung von Hintergrundberichterstattung, von eindringlichen Reportagen des Kriegsschauplatzes. Dabei stellte sich die damalige Berichterstattung in den Dienst, der Armee und Gesellschaft eng verbunden zu sein. William Howard Russell war mit seiner unpatriotischen Berichterstattung eher eine Randerscheinung.
In den kolonialen Konflikten, beispielsweise dem Südafrikanischen Krieg (1899 – 1902) kann man indes ein weiteres Phänomen der Kriegsberichterstattung erkennen: Die jungen Berichterstatter, aus gehobenen Hause, verstanden sich in erster Linie nicht als Journalisten. So wurden ihre Erlebnisberichte mit pittoresken Beschreibungen in hohen Auflagen editiert und sollten zu einer Karriere als Schriftsteller, Maler oder Politiker führen. Bei Winston Churchill und Edgar Wallace ging dieses Kalkül auf.
„Goldenes Zeitalter“ der Krisenkommunikation
Trotzdem bezeichnet Phillip Knightley die Zeit zwischen Krimkrieg und Ersten Weltkrieg als „Goldenes Zeitalter“ der Krisenkommunikation. Gesteigerte Nachfrage nach Zeitungen, unzählige Kriege und Krisen sowie eine steigenden Anzahl von Kriegsreportern führten dazu, dass sich die neue Form des Journalismus institutionalisierte.
Das Medium Film – Dokument oder Propaganda?
Mit der Erfindung der bewegten Bilder wurde Journalisten und auch Kriegsmacher ein nicht zu unterschätzendes Werkzeug an die Hand gegeben. Diente das junge Medium Film ab dem ersten Weltkrieg einerseits als authentische Vermittlung politischer Ereignisse, so wurden Filmvorführungen auch exzessiv als Propagandawerkzeug missbraucht und eingesetzt: Schon lange vor dem Krieg hatten wir den Plan gefasst, eine neue Art der Kriegsberichterstattung zu organisieren. Wir haben in unseren Kriegsberichtern und Propagandakompanien eine Organisation zusammengestellt, die mitten im kriegerischen Geschehen steht und nun, statt mit Maschinengewehren oder der Pistole oder dem Gewehr zu arbeiten, mit der Kamera oder mit dem Federhalter arbeitet. Mit einem Mal bekam das Volk den Krieg selbst Auge in Auge zu sehen, und zwar so, wie er ist, und ohne Beigabe und ohne jede Hinzufügung, kommentarlos in seiner grausigen Wirklichkeit. Und das, was ich vorausgeahnt und vorausgesagt hatte, trat nun ein: dass das Volk mit einer realistischen Darstellung des Krieges zufriedener war als mit irgendeiner poetisch verklärten.“ (Joseph Goebbels)
Eine besondere Stellung in der Medienhistorie nimmt der Vietnamkrieg ein. Denn hier führte eine freie, regierungsunabhängige Berichterstattung zu einem erheblichen Druck der amerikanischen Öffentlichkeit auf die Regierung, so dass man heute der Auffassung ist, der Vietnamkrieg sei an der „Heimatfront“ verloren worden. Aus diesen Fehlern lernte man und mit jedem Krieg entwickelte sich zunehmend auch eine auf Medien abgestimmte Strategie.
Eine erst später enttarnte, aber folgenschwere PR-Strategie ist die so genannte Brutkastenlüge, die die amerikanische Öffentlichkeit, Kongress wie auch UNO von der Notwendigkeit eines Krieges gegen den Irak überzeugen sollte.
„Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd“ (Otto von Bismarck)
Höhepunkt sicherheitspolitischer PR-Strategie der letzten Jahre ist der embedded journalism mit Beginn des Irakkrieges 2003. Im vorangegangenen Irak- sowie Afghanistankrieg hatten die internationalen Medienvertreter nur unzureichend Zugang zu den Kampfgebieten gehabt. So entschloss sich die US-Regierung die jeweiligen zivilen Journalisten kämpfenden Militäreinheiten zuzuweisen. Damit konnte der „Nachrichtenbedarf“ der Journalisten und Öffentlichkeit gedeckt werden, andererseits aber auch die Berichterstattung leichter kontrolliert werden. Die in Militäraktionen eingebetteten Journalisten konnten natürlich auch nur über das berichten, was sie sahen.
„Der Blick des Journalisten fällt durch den Sehschlitz des Panzers. Und der ist nicht sehr groß“ (Friedrich Nowottny)
Die kriegführende USA gab damit der Verbreitung und Herstellung von Kriegsbildern die Bedeutung eines politischen Aktes. Die Herren des Krieges wurden zu den Herren der Information. Dadurch, dass es für Journalisten schwierig und vor allem gefährlich war, selbstständig im irakischen Kriegsgebiet zu agieren, waren die Bilder der embeds im Vergleich zu unabhängigen Teams vor Ort in der Überzahl. Diese informationelle und bildliche Überlegenheit unterstützte auch Legitimation und Erscheinungsbild des Krieges: die chirurgische Kriegsführung seitens des Militärs, präzise einschlagende Raketen und angeblichen Vermeidung von Kollateralschäden.
„Das erste Opfer im Krieg ist aber bekanntlich immer die Wahrheit“
Das weiß der gebildete Medienkonsument genauso wie der ausgebildete Journalist. ABC-Reporter Gary Shepard stand beim Golfkrieg 2003 ganz bestimmt nicht auf der richtigen Seite als er bei den phosphorisierenden Nachtbilder von Bombeneinschlägen sagte: “Es ist das größte Feuerwerk, das ich je gesehen habe. Das ist wie Silvester, es ist fantastisch.“ Denn – wie Vietnam uns lehrte – Fernsehen kann kriegs-entscheidend sein.
Journalisten haben es in der heutigen Zeit immer schwerer die durchdachten Medienstrategien, Informationen und Desinformationen der Kriegsparteien zu durchschauen. Letztendlich liegt es aber auch am Zuschauer eigene Maßstäbe von Authentizität, Wahrheit und Echtheit zu entwickeln, um die Medienrealität von der Wirklichkeit zu unterscheiden.
© Maraike Wenzel, 25.11.2007