28. November 2007 | Kriegsberichterstattung

Krieg und Journalismus als Verwirrspiel

von Ulrich Kienzle. Köln


Bin Laden, die Taliban und Hisbollah sind die besseren Desinformartiker als ihre technisch und militärisch weit überlegenen Gegner. Propaganda wird zu einer Waffe, mit der die USA und Israel offensichtlich schlechter umgehen können als ihre terroristischen Gegner. Die „Propaganda der Tat“ ersetzt die Tat, die Manipulation der Medien die Information über Fakten.

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Es war eine hollywoodreife Show. Am 1.Mai 2003 landete Präsident Bush in einem Kampfjet auf dem Flugzeugträger Abraham Lincoln. Er erklärte die Mission im Irak für beendet. . Bush, der Sieger, als Krieger verkleidet in der Uniform eines Jetpiloten. Viereinhalb Jahre später ist nichts mehr übrig geblieben vom Medienhelden Bush. Der „Sieg im Krieg gegen den Terror“ hat sich als Medienmärchen entpuppt. Die Amerikaner glauben ihrem Präsidenten kaum mehr ein Wort. Er hat inzwischen auch den Propagandakrieg gegen die Terroristen verloren.

Internet, Satellitensender, Handys und andere „Propagandawaffen“ produzieren Stoffe, aus denen die Storys in der totalen Mediengesellschaft gewirkt werden. Das haben auch die islamistischen Terroristen begriffen. Sie nutzen das Internet und vor allem arabische Satellitensender, um ihre Botschaften zu verbreiten. Medien machen mächtig. Auch politische Underdogs. Da ihre wirkliche Macht schwer einzuschätzen ist, versuchen sich die Terroristen durch die Produktion von Angst größer zu machen, als sie möglicherweise sind. Bakunin hat ja im 19.Jahrhundert den Terrorismus als „Propaganda der Tat“ definiert. Die grausamen Verbrechen geschehen vor allem für die Medien. Die Tat selbst ist die Propaganda. 9/11 und die Zerstörung der New Yorker Türme sind ein schlagender Beweis dafür. Die feindlichen Medien sorgten auch noch umsonst für die Verbreitung der Bilder des ungeheuerlochen Verbrechens, die „Propaganda der Tat“.

Der Terrorismus lebt vor allem von der Propaganda. Die wirkliche Macht und der Einfluss der Terrorgruppen ist schwer überprüfbar.

So versuchen zum Beispiel die Taliban den Eindruck zu erwecken, sie seien wieder zur entscheidenden Macht in Afghanistan geworden. Bei jeder Entführung, bei jedem Attentat übernehmen sie sofort die Verantwortung. So wirken sie fast omnipräsent. Das zielt raffiniert auf die westlichen Medien, die diese Nachrichten nicht überprüfen können und so möglicherweise einen falschen Eindruck wiedergeben. Hier geht es nicht mehr darum, etwas zu verkaufen, um Public Relations, es geht vielmehr darum, mit Hilfe der Propaganda Angst zu schüren und damit Politik zu machen. Die Taliban bieten jedenfalls ein aufreibendes Verwirrspiel, das die Bundesregierung zu dem unfreiwilligen Kompliment veranlasste, „sie seien die Zeremonienmeister des Terrors“.

Eine Art Selbsthysterisierung lähmt die westliche Welt. Auch wenn es zynisch klingt: Die Terroristen haben bisher weltweit weniger Menschen getötet, als bei uns jährlich im Autoverkehr sterben. Die Toten auf der Straße gehören zum Alltag in der Bundesrepublik, sie sind das selbstverständliche Opfer für moderne Mobilität. Tote durch Terrorismus verbreiten ungleich mehr Schrecken, und aus Angst vor der Schattenmacht der Terroristen sind Politiker bereit, den Rechtsstaat immer mehr selbst in Frage zu stellen. Aus Angst vor dem Terrorismus begehen die Verunsicherten lieber Selbstmord auf Raten. Ein Trumpf für den Terrorismus, Propaganda ist so zur stärksten politischen Macht der Underdogs geworden.

Kriege werden übrigens heutzutage nur noch selten auf dem Schlachtfeld entschieden. sondern durch Propaganda. Es sind Medien- und Propaganda-Kriege. Und die gewinnen nicht immer die Mächigsten.Der Krieg Israels gegen die Hisbollah ist so ein Beispiel. Israel hat bei diesem Abenteuer seinen Mythos der Unbesiegbarkeit aufs Spiel gesetzt. Den Propagandakrieg hat die Hisbollah gewonnen. Die Weltmacht Amerika mit ihrer High-Tech-Armee ist nicht in der Lage, dem schwachen, aber politisch komplizierten Irak seinen politischen Willen aufzuzwingen. Und weil das so ist, verfestigt sich in den Medien der Eindruck, dass Amerika auf eine militärische Niederlage zusteuert. Der Irak erscheint unregierbar. Und selbst die vielgerühmten amerikanische „Spindoctors“sind ratlos und haben es bisher nicht geschafft, diesen propagandistischen Supergau zu verhindern. Es ist schon erstaunlich: Die gelegentlich archaisch anmutenden Dschihadisten scheinen in Propagandadingen ihren Gegnern überlegen.

Ausgerechnet einer, der aussieht wie ein Prophet aus archaischen Zeioten, ist zu einem der erfolgreichsten spindoctors der Gegenwart geworden: Osama bin Laden. Obwohl es nie mehr als 3ooo Araber in Afghanistan gegeben hat, erfand er die Legende, sie hätten die Sowjetunion besiegt. Dieser Mythos übt bis heut eine magische Anziehungskraft auf viele Araber aus. Bin Laden gibt ihnen – was die arabischen Regierungen nicht erreichen – das Gefühl, stark zu sein. Erfolgreiche Propaganda.

© Ulrich Kienzle, 28.11.2007



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