26. April 2011 | Fall Sarrazin

Die SPD schafft sich ab

von Daniel Bax (taz). Berlin


Was muß Sarrazin noch tun, um aus seiner Partei zu fliegen? Den Hitlerguß zeigen? Nackt durch Berlin-Neukölln rennen, um Muslime zu provozieren? Oder zur Wahl einer anderen Partei aufrufen wie einst Wolfgang Clement?

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Mit ihrem Verzicht, Thilo Sarrazin aus der Partei zu werfen, hat sich die SPD zum Gespött gemacht.

Warum wies die FDP ihrem Ex-Promi Jürgen Möllemann 2003 die Tür, warum flog der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann im gleichen Jahr aus der CDU? Deren verklemmter Flirt mit antisemitischen Vorurteilen nimmt sich, im Vergleich zu Sarrazins hemmungslosen Tiraden gegen „Türken“, „Araber“ und Hartz-IV-Bezieher, im nachhinein geradezu harmlos aus. Daran kann man erkennen, wie sich die zivilisatorischen Standards in Deutschland seither verschoben haben.

Selbst die Berliner CDU zeigte gegenüber antimuslimischer Hetze deutlich weniger Geduld, als sie 2010 den Abgeordneten René Stadtkewitz aus der Partei schmiss. Die Botschaft der SPD dagegen lautet nun: Menschenverachtung ist bei uns schon okay, so lange sie sich „nur“ gegen Muslime richtet. So macht man Rassismus salonfähig.

Früher war die SPD unter Einwanderern die mit Abstand beliebteste Partei. Doch heute tut sie sich seltsam schwer mit der Integration. Kein einziger Migrant hat bei ihr eine Führungsposition inne; zuletzt vermasselte sie es in Hamburg, einen Minister mit Migrationshintergrund zu ernennen. Mit ihrem Kotau vor Sarrazin ist sie für Migranten unwählbar geworden.

In der SPD ist doch Platz für SarrazinKlar, dass die SPD aus wahltaktischem Opportunismus vor Sarrazin eingeknickt ist. Dass sie sich da mal nicht irrt. Ein Grund für den aktuellen Höhenflug der Grünen ist ja auch, dass sie sich von dessen rassistischen Positionen denkbar weit entfernt zeigen. Bei einem weltoffenen, liberalen Bürgertum genießen sie deshalb große Glaubwürdigkeit. Eine Glaubwürdigkeit, die die SPD verspielt hat.


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