Die Diskussion über den Abbau von Atomwaffen ist in Bewegung geraten:
In dieser Woche unterzeichnen Russland und die USA ein neues strategisches Abrüstungsabkommen. Angesichts dieser Entwicklung und vor dem Hintergrund der im Mai in New York stattfindenden Überprüfungskonferenz des Vertrages über die Nichtverbreitung von Atomwaffen, an der Delegierte aus über 180 Nationen teilnehmen, ruft die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) die Staatengemeinschaft dazu auf, die weltweite atomare Abrüstung weiter voranzutreiben. Als erste Schritte sollten ein allgemeiner Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen sowie der längst überfällige Abzug der sogenannten taktischen Nuklearwaffen aus Deutschland und Europa erfolgen, fordert die DPG.
Die Stellungnahme im Wortlaut
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft hat seit über 50 Jahren in verschiedenen Erklärungen zur Notwendigkeit der atomaren Abrüstung Stellung genommen und hat sich dabei von der Verantwortung leiten lassen, die Physikerinnen und Physiker für die Existenz von Atomwaffen in dieser Welt tragen. Auch heute, in den Tagen vor der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag im Mai 2010 in New York, erscheint es uns notwendig, auf die nach wie vor bestehende atomare Bedrohung hinzuweisen.
Wir können zwar mit einer gewissen Erleichterung feststellen, dass seit Mitte der 1980er Jahre von den damals vorhandenen über 70.000 Atomwaffen ein Großteil abgebaut worden ist. Dennoch reichen die heute stationierten Atomwaffen immer noch aus, die moderne Zivilisation auszulöschen. Auch hat sich an der grundsätzlichen Inhumanität der Atomrüstungen nichts geändert, denn ihr Einsatz würde militärische Ziele und die Zivilbevölkerung unterschiedslos treffen und wäre nach dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs generell unvereinbar mit dem bestehenden humanitären Völkerrecht.
Neben der globalen Bedrohung durch die stationierten Arsenale ist die Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen akut. Es ist zu befürchten, dass ein regionaler Atomwaffeneinsatz wahrscheinlicher wird, wenn mehr Staaten oder gar Terrorgruppen über waffenfähiges Spaltmaterial verfügen.
Wir können nicht akzeptieren, dass immer noch an der Weiterentwicklung von Atomwaffen gearbeitet wird und empfinden diese Aktivitäten als unvereinbar mit den ethischen Grundsätzen, zu deren Beachtung wir uns als Wissenschaftler verpflichtet sehen*. Zwanzig Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges ist die Zeit gekommen, die Entwicklung neuer Atomwaffen und die Vergeudung wertvoller Ressourcen dafür endlich vollständig einzustellen und international zu ächten.
Wir appellieren an die Atommächte, sich ihrer Verantwortung für die volle Umsetzung des Nichtverbreitungsvertrages zu stellen. In dessen Artikel VI haben sie sich schon 1970 verpflichtet, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung.“
Das kürzlich von den Präsidenten der USA und Russland abgegebene Bekenntnis zu einer Welt ohne Atomwaffen halten wir für ein hoffnungsvolles Signal. Als erste Schritte sollten ein allgemeiner Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen sowie der längst überfällige Abzug der sog. taktischen Nuklearwaffen aus Deutschland und Europa erfolgen.
Darüber hinaus appellieren wir an die an der Überprüfungskonferenz teilnehmenden Staaten, die historische Chance zu nutzen und Verhandlungen über eine Nuklearwaffenkonvention für die Ächtung und schrittweise, überprüfbare, unumkehrbare und transparente Beseitigung sämtlicher atomarer Waffen bis zum Jahr 2020 in Gang zu setzen.