Seit Beginn meines Studiums war es Kanada, welches sich als Zielland eines Auslandsstudiums in meinem Kopf festgesetzt hatte. Zum Ende meines 6. Semesters war es also soweit. Obwohl die Vorlesungszeit für das Wintersemester in Deutschland erst Mitte Oktober beginnen würde, ging es für mich schon Ende August 2005 nach Vancouver, denn dort beginnt das Herbst Semester (fall term) schon Anfang September.
Ich schätze die Zeit, die ich in Kanada verbracht habe, sehr, auch wenn ich oft das Gefühl verspürte, überladen zu sein. In solchen Momenten bot die geographische Lage Vancouvers einige Möglichkeiten dem „schwarzen Loch“ zu entfliehen. Die SFU hat zwar drei Campus, jedoch befindet sich der Hauptcampus in Burnaby. Dieser wurde auf einem Hügel (Burnaby mountain) errichtet, was auch den umwerfenden Ausblick, den man von hier über Vancouver und auf den Ozean bekommt, begründet. Umgeben von einem Naturschutzgebiet bietet die Lage Möglichkeiten für ausgedehnte und entspannende Spaziergänge.
Generell bietet die SFU ein breites Angebot an außerschulischen Aktivitäten, welches aus meiner Perspektive für eine soziale Nachhaltigkeit steht. So gibt es umfassende Sportanlagen und diverse Mannschaftssportkurse, die zum einen die Möglichkeit des Stressabbaus bieten und zum anderen soziale Integration fördern können. Des Weiteren gibt es ein Theater vor Ort, an dem immer wieder Vorstellungen zu sehen waren, ebenso wie von der Studentenschaft organisierte Filmvorführungen. Mehr noch gibt es auch eine Galerie. Es fällt somit auf, dass hier mit dem obwohl räumlich isolierten Campus eine Integration von Lernen und Leben angeboten wird, welches durchaus seine Vorteile aber auch Nachteile haben kann. Als Austauschstudent war mir das oft nicht ausreichend, aber dieses Gefühl bezog sich primär auf das erste Semester, da ich zu dieser Zeit auch auf dem Campus gewohnt habe. Mit der sehr guten Busanbindung stellte die Fortbewegung kein Problem dar. Für das zweite Semester zog ich nach Vancouver in eine sehr alternative Gegend. Dadurch war ich viel mehr im kanadischen Alltagsgeschehen involviert und wurde Teil dessen.
Da ich mich momentan mit der hiesigen Einführung von Studiengebühren konfrontiert sehe, möchte ich nur im Ansatz ein paar Dinge aus kanadischen Verhältnissen berichten, die dazu in Verbindung gebracht werden können. Die Studenten dort sehen sich von Jahr zu Jahr steigenden Studiengebühren ausgesetzt, welches sie ebenfalls versuchen zu verhindern. Fakt jedoch ist, dass die Studiengebühren fest im Hochschulsystem verankert sind. Dieser Umstand war für mich jedoch schon allein in der Ausstattung der Hochschule bemerkbar. Eine gut ausgestattete und organisierte Bibliothek und viele Computerräume sind nur die augenscheinlichsten Investitionen. Es gibt mehrere Stipendiumsausschreibungen und darüber hinaus Arbeit-und-Studium-Kooperationsprogramme, durch die viele Studenten Arbeitsstellen schon während des Studiums und auch danach vermittelt bekommen. Der Student wird hier als Kunde begriffen und die Hochschule handelt in gewisser Hinsicht im Sinne einer fachlichen Nachhaltigkeit.
Mich für meinen Teil hat es etwas irritiert, dass die Studenten an kanadischen Universitäten eher – so schien es mir – eine Berufsausbildung anstrebten, was im Hinblick auf die hohen Studiengebühren auch Sinn macht, mir jedoch fremd war, da ich mein Studium auch immer als Aufgabe für das Leben zu lernen gesehen habe und dies auch heute noch tue. Die Ausbildung eines kritischen Geistes ist das, was ich mit meinem bisherigen Studium in Verbindung gebracht habe. Leider, so muss ich gestehen, wird dieser Geist in der Hetze um erforderliche Studienleistungen auf der Strecke bleiben. Was dann noch zählt ist das erhöhte Tempo auf der Zielgerade um möglichst schnell mit dem gewonnen Titel für den verbrauchten Sprit aufzukommen.