Skepsis bei den aktuellen Trägern des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU)! Vom Klimagipfel der Vereinten Nationen im Dezember in Kopenhagen erwarten der Wissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker (Emmendingen) und der Biotech-Unternehmer Holger Zinke (Zwingenberg) keine tiefgreifenden Veränderungen, auch wenn es wünschenswert sei. Während von Weizsäcker pro-Kopf-gleiche Emissionsrechte für alle Menschen auf der Erde fordert, die „als einzige Lösung“ die großen Entwicklungsländer veranlassen könnten mitzumachen und feststellt, dass „das große Umdenken noch nicht stattgefunden hat“, erhofft sich Zinke konkretere wirtschaftspolitische Botschaften. „Vor allem was die Umsetzung in die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln anbelangt. Da stehen wir noch ganz am Anfang.“ Wenige Tage vor Bekanntgabe der neuen Umwelt-Preisträger bilanzierten jetzt von Weizsäcker und Zinke in einem DBU-Interview das vergangene Jahr.
Für Kopenhagen rechnet der Nachhaltigkeits-Experte von Weizsäcker mit einer Pattsituation. Die großen Entwicklungsländer würden in Kopenhagen keine Verbindlichkeiten eingehen, also werde auch der US- Senat kaum eine Verpflichtung der USA ratifizieren. Von Weizsäcker: „Die einzige Lösung, dieses Szenario zu überwinden, wäre ein Zeitrahmen für das Erreichen von pro-Kopf-gleichen Emissionsrechten für alle Menschen auf der Erde.“ Erst das würde für Entwicklungsländer einen Anreiz schaffen, neue Kraftwerkspläne aufzugeben und stattdessen Lizenzen zu verkaufen. Diese Thematik stehe aber in Kopenhagen überhaupt nicht auf der Tagesordnung.
Dass eine exzellente wissenschaftliche Basis und innovative Forschungs- und Entwicklungsarbeit sich nicht in einer wirkungsvollen Umweltpolitik niederschlagen müsse, beobachtet von Weizsäcker derzeit anlässlich der Vorbereitungen für den anstehenden Klimagipfel: „Obama hat ein glänzendes Team für Umwelt und Energie um sich versammelt und ein ehrgeiziges Klimaprogramm angekündigt. In der vor- parlamentarischen Beratung ist dies allerdings stark verwässert worden.“
Für den Biotech-Unternehmer Holger Zinke ist der Ort des Gipfeltreffens geradezu beispielhaft für den Weg in eine umweltfreundlichere Zukunft: „In Kopenhagen sitzt das Unternehmen Novozymes, dessen Enzymprodukte mehr Kohlendioxid einsparen als etwa ganz Dänemark emittiert“, betont er und spielt damit auf das Potenzial der weißen Biotechnologie und damit des produktionsintegrierten Umweltschutzes für den Klimaschutz an. Eine Branche, die auch für von Weizsäcker eine Schlüsselfunktion im 21. Jahrhundert einnimmt. Doch um den industriellen Wandel zu ermöglichen, müssen laut Zinke Innovationen in Großunternehmen und die Entwicklung von Technologieunternehmen im Vordergrund des politischen Handelns stehen. So seien beispielsweise in Deutschland Rahmenbedingungen für Wachstumsfinanzierungen dem „Exportweltmeister“ und der drittgrößten Industrienation der Welt absolut nicht angemessen. „Wir stehen vor den Herausforderungen des industriellen Wandels im Zeitalter des nachhaltigen Wirtschaftens“, so Zinke. „Eigentlich bräuchten wir eine neue ‚Gründerzeit‘ mit allem, was dazugehört.“ Doch von einer grünen Revolution sind wir laut von Weizsäcker noch weit entfernt: „In Deutschland sind uns HRE und Opel mehr wert als das Klima.“ Er kritisiert vor allem das Argument, dass Klimapolitik nicht die Industrie belasten dürfe: „Das Bundeswirtschaftsministerium hat Anfang Juli den Entwurf für ein industriepolitisches Gesamtkonzept in Umlauf gebracht. Doch in dem Papier kommt keine einzige grüne Schlüsseltechnologie vor.“ Dabei gäbe es neben der weißen Biotechnologie etwa mit Wärmerückgewinnungs-Techniken für Gebäude, Systemoptimierungen hinsichtlich Logistik und Siedlungsplanung oder Effizienzautos und Erneuerbaren Energien vielfältige Möglichkeiten, dem Klimawandel effektiv entgegen zu treten.
Zinke blickt trotzdem optimistisch in die Zukunft: „Europa und speziell Deutschland haben zum Beispiel in der weißen Biotechnologie eine riesige Chance, hoffentlich wird sie genutzt.“ Mit der Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2008 an die „Pioniere des nachhaltigen Wirtschaftens“ sei ein wichtiges Zeichen gesetzt worden.