12. Februar 2010 | Ruhr 2010

Keine Erleuchtung durch Biogas

von Roland Schnell. Berlin


Peter Fend ist ein Künstler und Visionär. Im Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens des 1950 in Ohio geborenen US-Amerikaners steht die natürliche Umwelt und dabei alles, was mit Wasser zu tun hat. Die Europäische Kulturhauptstadt Ruhr muss allerdings 2010 auf seinen Beitrag verzichten.

Lesezeit 4 Minuten

Schon im April 2009 hatte der Künstler und Visionär Peter Fend das Projekt „Feuer und Flamme für Flüsse“ vorgestellt: Biogas sollte aus dem Aufwuchs von drei Gewässern im Ruhrgebiet gewonnen werden. Fend wollte damit zeigen, dass „es nicht nur möglich ist, Biomasse aus der Natur zu entnehmen, ohne diese zu schädigen, sondern, dass die Natur dadurch sogar gestärkt werden kann.“ Er stellte einen Bezug zum Rhein-Herne-Kanal her, der im Jahr 1914 fertiggestellt wurde. Den dann folgenden Krieg hatte Fend bereits 1992 in seinem Beitrag zur Dokumenta als Krieg um fossilen Kohlenstoff als Energieträger interpretiert. Er wollte 2010 zeigen, dass es jenseits der begrenzten Vorräte, um die Ölgesellschaften Kriege führen lassen, einen unerschöpflichen Rohstoff aus der Natur gibt, und das sogar in einer dicht besiedelten Industrielandschaft. Als integraler Teil einer Kunstaktion sollten die Besucher selbst beim Ernten der Biomasse Hand anlegen.

Das Projekt im Ruhrgebiet steht in der Tradition der „Ocean Earth Construction and Development Corporation“, die 1980 Fends Ruhm begündet hat und von der New York Times als „Mischung zwischen Konzeptkunst, Aktivismus und Unternehmergeist“ gefeiert wurde. Es benenne brennende Umweltprobleme duch den Einsatz von Kunst als Design.

Florian Matzner, Kurator der Emscherkunst.2010, war begeistert von Peter Fends Konzept und auch die Emschergenossenschaft reagierte zunächst positiv.
Die Energie aus dem Biogas sollte in einer Art Teehaus mit dem Titel „Erneuerbar“ visualisiert werden. Die Biogasanlagen sollten teils „fahrbar, teils auf Schwimmkörpern montiert sein und zwischen den Stellen, an denen Wasserpflanzen geerntet werden und dem Ort der Biogasnutzung pendeln. Ein Kunstprojekt, dessen Realisierbarkeit im Auftrag von Peter Fend mit Experten und Praktikern aus dem Bereich der anaeroben Vergärung abgeklopft worden war. Zum wissenschaftliche Stab gehörten unter anderem Shane Carter vom Clean Energy Centre in Neuseeland, der dort in verschiedenen Forschungseinrichtungen tätig war und eine nationale Biogaskonferenz organsiert hatte, und Carl Henderson, ein erfahrener Biochemiker aus der Industrie.

Doch Emscherkunst.2010 traute diesem Sachverstand nicht und damit begann ein Drama, dass den Künstler schließlich zum Rückzug aus einem Projekt nötigte, dessen Vorbereitungen er monatelang aus eigener Tasche vorfinanziert hatte. Simone Timmerhaus als Vertreterin der Emschergenossenschaft begann an der „Machbarkeit“ zu zweifeln und so wurde das Fraunhofer-Institut UMSICHT in Oberhausen eingeschaltet, das um eine Beurteilung gebeten wurde. Obwohl Fend immer wieder betonte, dass es wichtig sei, den Sommer 2009 zum Anlegen eines Vorrats an Biomasse zu nutzen, bewegte sich nichts.

Dabei entwickelte sich gerade im Sommer 2009 die Wasserpest im Baldeneysee zur Plage. Zusammen mit dem Filmemacher Saschko Frey, der das Emscherkunst.2010-Projekt seit 2008 dokumentiert, produzierte Fend ein Video. Es zeigt, wie er mit in kurzer Zeit und einfachen Mitteln große Mengen an aquatischer Biomasse abschöpfen konnte. Derweil schwieg sich das Fraunhofer-Institut darüber aus, welche Pflanzen geerntet werden könnten und wie die Vorbehandlung und Hydrolyse gestaltet werden müsste.

Schließlich übergab Dr.-Ing. Eckehard Weidner den Bericht des Fraunhofer-Instituts UMSICHT, in dem es heißt, dass über die Idee von Peter Fend zur Gewinnung von Biogas aus Wasserpflanzen der in der wissenschaftlichen Literatur wenig zu finden gewesen sei und dass das Thema neu für das Institut sei.

Am 24. November teilte die Emschergenossenschaft mit, dass sie alles, was mit der Erzeugung von Biogas zu hätte, selber machen könnte. Dem Künstler wurde ein Vertrag vorgelegt, in dem von diesen essenziellen Aspekten seiner Kunstaktion keine Rede mehr war und seine Rolle auf den Betrieb eines Pavillions unter dem Namen „Erneuerbar“ reduziert wurde. Die Emschergenossenschaft wollte auch Besuchern keinen Zugang zu den Stellen gewähren, an denen Wasserpest geerntet werden konnte. Nicht einmal eine Begehung der Stelle des geplanten Pavillions wurde dem Künstler gestattet.

Am 1. Dezember 2009 schickte schließlich Dipl.-Ing. Joachim Krassowski vom Fraunhofer-Institut eine E-Mail, in der er mitteilte, dass es mit der anaeroben Vergärung von Wasserpest überhaupt keine Erfahrungen gäbe und noch viel Entwicklungsarbeit erforderlich sei. Allein dafür wurde dann eine halbe Million Euro angesetzt, mehr als das Doppelte dessen, was Fend für die gesamte Kunstaktion veranschlagt hatte. Nun hatte Peter Fend engültig den Eindruck, dass er ausgebootet werden sollte, und stieg aus dem Vertrag mit Emscherkunst.2010 aus.

Im Nachhinein glaubt Peter Fend auch zu verstehen, wie es noch im September dazu kam, dass ihn das Fraunhofer-Institut dazu bringen wollte, statt des von seinen Fachleuten entwickelten Konzepts einen transportablen Biogas-Mini-Reaktor der Firma PlanET in Gelsenkirchen einzusetzen. Es könnte damit zu tun haben, dass diese Firma am 9. Juni 2009 von NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben einen Zuwendungsbescheid über 71.000 Euro für das Projekt „Nachhaltiges Biogas“ mit einem Volumen von 450.000 Euro zusammen mit Gelsenwasser und dem Fraunhofer-Institut erhalten hat. Fend hatte das Ansinnen abgeleht, weil ihm der elektrisch beheizte Mini-Fermenter absolut ungeeignet für sein ökologisch motiviertes Konzept erschien, was ihn möglicherweise den Kopf gekostet hat. Sein Vorschlag, den Fermenter zu kaufen und umzurüsten, wurde abgelehnt.

Wenige Tage später wurde ihm jeder Einfluss auf die Ernte der Biomasse, die Aufbereitung und die Biogastechnik entzogen. So muss die Europäische Kulturhauptstadt Ruhr auf ein Kunstwerk verzichten, dass in der Tradition von Joseph Beuys (1921-1986) steht, einem Künstler, der im Ruhrgebiet heimisch war und an der Kunstakademie Düsseldorf gelehrt hat. Fend bezieht sich konkret auf die Installation „Fettecke“ aus dem Jahr 1982. Fend begreift Methan, den ersten in der Reihe der Kohlenwasserstoffe. Beuys hatte gesagt: „Alles muss durch die Fettecke“, und so geht für Fend in einer Ökonomie der geschlossenen Kohlenstoffkreisläufe alles durch das im Biogas enthaltene Methan.
Eine Erkenntnis, deren Verbreitung in einem spektakulären Kunstprojekt dank kleinlicher Eifersüchteleien der Forscherzunft an der Ruhr ausgebremst wurde.

© Roland Schnell, 5. Februar 2010

Profil: www.graskraft.de/

Featured Image: Roland Schnell


www.museum-joanneum.at/de/kuenstlerhaus/ausstellungen_4/ peter-fend. Link veraltet. 4.4.24


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