Wie kamst du zur Kunst bzw. wie wurdest du zum „Künstler“?
Künstler ist man oder ist man nicht, man wird nicht zum Künstler, jedenfalls nicht bei der Art von Bildern, wie ich sie male. Man hat gar keine andere Wahl. Vielleicht „wird“ man Künstler, wenn man Kästchen baut wie Donald Judd. Es ist nicht jeder ein Künstler, wie Beuys sagte. Auch durch diese, vielleicht missverstandene Aussage, wurde die Kunst so beliebig, wie sie sich heute zum großen Teil auf den Kunstmärkten und in den Ausstellungen und Galerien darstellt. Zum Künstler gehört eine gewisse Besessenheit und jahrzehntelanges Durchhaltevermögen.
Mit welchen Schwierigkeiten sahst du dich konfrontiert?
An den Akademien wurde, als ich studierte, kaum unterrichtet jedenfalls nicht das, was ich suchte. Ich suchte eine klassische Ausbildung, wollte zeichnen und malen lernen, interessierte mich für Maltechniken. Ich wollte wissen, wie man gewisse malerische Effekte erreichen kann, welches Material dazu benötigt wird. Ich suchte keinen Diskussionsclub oder eine politisch-soziologische Diskussionsrunde, wie sie damals zumindest in einigen Klassen üblich war. Für mich war und ist die Tradition wichtig und lebendig, für mich sind die großen Künstler der Vergangenheit, sei es der steinzeitliche Höhlenmaler oder ein Rembrandt oder ein chinesischer Künstler wie Bada Shanren Zeitgenossen. Ich male zeitgenössich ohne die Tradition zu verleugnen.
Es ist mir bis heute unverständlich, wie jemand Maler werden will ohne zumindest grundlegendes handwerkliches Wissen, Kenntnisse über Maltechnik und Kenntnisse über Material zu haben. In keinem anderen Beruf würde sich jemand ohne diese Kenntnisse professionell nennen. Wenn ein Musiker sein Instrument nicht beherrscht, hört das jeder Laie, leider sieht nicht jeder Laie, wenn ein Maler sein Handwerk nicht beherrscht, obwohl das Ergebnis ähnlich schlecht ist. Als Künstler ist heute die Art sich darzustellen und zu verkaufen meistens wichtiger als es die eigentlichen Werke sind.
Was hat sich im Laufe der Zeit verändert?
Der Kunstmarkt und die Möglichkeiten zu verkaufen sind noch schwieriger geworden, die Künstler stehen auf der untersten sozialen Stufe. Immer weniger Künstler verdienen immer mehr. Viele „investieren“ heute in Kunst, noch mehr als in den 60ger oder 70ger Jahren, kaufen zu weit überhöhten Preisen „angesagte“ Künstler. Es wird immer schwieriger in einem Marktsegment zu verkaufen, das einerseits nicht zum Kunst Outlet gehören will und „Originale“ ab 25,- Euro anbietet und andererseits nicht zu den „angesagten“ Künstlern zu gehören. Einen normalen Preis, ein Monatsgehalt für ein mittelgroßes Bild etwa, will kaum jemand zahlen. Viele Leute kaufen Kunst und meinen, sie müssten diese Kunst später viel teurer verkaufen können, erwarten sie diese Wertsteigerung nicht, kaufen sie auch nicht.
Welche Bilanz ziehst du heute?
Die Presse braucht die Sensation, das einfach darzustellende, das Wiedererkennbare, wie Beuys, immer gleich gekleidet oder wie das Paar H.A. Schult und Elke Koska, das sich selber zur Marke stilisiert hat und nun seit Jahrzehnten in ähnlicher Aufmachung über den Kunstmarkt wandeln muss Dies kann und will ich nicht, ich finde, die Person des Künstlers sollte ganz hinter seinem Werk zurücktreten, quasi anonym sein. So wie der mittelalterliche Buchmaler, dessen Namen und Person nicht bekannt sind.
Mit welchen Strategien arbeitest Du?
Mit Ende 50 und dazu noch als Mann ist es sehr schwierig, Förderung zu bekommen. Viele Einladungen zu erstklassigen Ausstellungen, z.B. in China kann ich nicht wahrnehmen. Trotzdem: ich male einfach weiter, irgendwann – so hoffe ich zumindest – gehen den Leuten die Augen wieder auf und sie werden in der Lage sein, wieder Bilder zu sehen. Und die Menschen werden sich nicht mehr – so wie heute, geradezu verpflichtet fühlen, etwas zu sehen, weil ihnen Fachleuten weismachen wollen, es wäre gute Kunst, die ihnen dargeboten wird, obwohl es in Wahrheit Nonsens ist. Der sogenannte Hype, die Investition in „angesagte“ Künstler zu weit überhöhten Preisen wird sich langfristig nicht auszahlen. Dieser Markt wird wie der Aktienmarkt vor einigen Jahren zusammenbrechen.
Van Gogh sagte vor über 100 Jahren einmal: „ Heute kennen die Leute vor allem den Preis und nicht den Wert eines Bildes“ . Dies gilt heute mehr denn je.
Ein Bild vor allem soll die Sinne ansprechen. Nur Qualität zählt für mich, ich brauche nicht für einen Markt zu arbeiten. Ich muss nicht, wie es vielen Künstlern ergeht, die sich gut verkaufen, mich selber immer wieder kopieren, sondern arbeite an dem, was für mich wichtig ist, dies gibt mir eine große, allerdings teuer bezahlte Freiheit. Ich kann mich wochenlang nur mit einer Technik wie dem Silberstift beschäftigen, wenn ich will, zwei Jahre nur irische Landschaften malen, überhaupt so arbeiten, wie es mir wichtig ist.
Mit dem Künstler Günther Beckers habe ich das Künstlermuseum Beckers ° Böll gegründet und wir stellen zusammen aus und laden zu jeder Ausstellung einen Kollegen ein. Der Anspruch unseres Künstlermuseum ist sich inhaltlich und konzeptionell höchster Qualität zu nähern, was genau auf Grund fehlender Substanz in einem Event- und Effektsegment der Künste wegzubrechen droht.
Kannst du dir ein Leben ohne Kunst vorstellen?
Nein.
Was hättest du sonst gemacht?
Es gibt sehr vieles, was mich interessiert, aber etwas anderes machen, konnte ich mir nie vorstellen.
© René Böll, 28.07.2007