16. September 2010 | Zukunftsaussichten

Wir wollen werden, wie unsere Alten sind

von Simone Schmollack (taz). Berlin


Je wohlhabender ihr Elternhaus, desto zuversichtlicher blicken Jugendliche in die Zukunft.

Lesezeit 3 Minuten

Jugendliche aus reicheren Familien fühlen sich besser als noch vor einigen Jahren, Jugendliche aus ärmeren Familien hingegen schlechter. Das ist, vereinfacht gesagt, das Fazit der 16. Shell-Jugendstudie, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Anders ausgedrückt: Die soziale Schere geht auch bei jungen Menschen immer weiter auseinander.

Damit bestätigt die Jugendstudie, die Shell seit 50 Jahren alle vier Jahre herausgibt, die Ergebnisse der vergangenen beiden Untersuchungen. Schon in den Jahren 2006 und 2002 zeigte sich, dass eher jene Mädchen und Jungen optimistisch in die Zukunft blicken, deren soziales Umfeld stimmt. Und diejenigen, die zu den bildungsfernen Schichten zählen oder aus Migrationsfamilien stammen, zeichnen ein eher düsteres Bild ihrer nächsten Lebensjahre. Die sogenannten abgehängten Jugendlichen machen der Studie zufolge 10 bis 15 Prozent aus.

Insgesamt aber, sagte der Sozialwissenschaftler Mathias Albert, sei die heutige Jugend zuversichtlich. „Ich hätte gemutmaßt, dass sich die Krise auf die Stimmung Jugendlicher legt“, sagte der Soziologe von der Universität Bielefeld, die die Studie durchgeführt hat. Danach beurteilen 59 Prozent der befragten Mädchen und Jungen ihre persönlichen Zukunftschancen als positiv. Vor vier Jahren waren es 9 Prozent weniger.

Wirtschaftsstagnation, Kriege und Klimawandel können der Jugend also nicht so viel anhaben, wie Sozialwissenschaftler allgemein glauben. Aber ist Jugend nicht immer zuversichtlich? Das schon, sagt Mathias Albert: „Es wurde aber auch deutlich, dass Jugendliche heutzutage sehr leistungsbereit sind. Dadurch wird ihre optimistische Grundhaltung bestimmt.“

Jugendforscher nennen die jungen Leute von heute auch gern die „pragmatische Generation“: Die Mädchen und Jungen gehen rational an die Anforderungen im Alltag, im Beruf und im Privatleben heran, wägen ab und üben sich in der Selbst- und Fremdwahrnehmung.

Letzteres hat schließlich zur Folge, dass Mädchen und Jungen aus sozial benachteiligten Schichten ihre Zukunftschancen schlechter einschätzen. Nur 40 Prozent dieser Jugendlichen sagen, dass sie mit ihrem Leben zufrieden sind. Sie wissen darum, dass sie mit schlechten Schulnoten weniger Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt haben und später eher Gefahr laufen, arbeitslos zu werden. „Das produziert Druck“, sagt Mathias Albert.

„Nichtsdestotrotz haben diese Jugendlichen einen ebenso so starken Leistungswillen und ganz normale Wünsche.“

Dazu zählten unter anderem Freunde, Spaß am Leben und die Gründung einer Familie. Mehr als drei Viertel der Jugendlichen – unabhängig davon, welchen sozialen Hintergrund sie haben – meinen, dass sie eine Familie brauchen, um wirklich glücklich zu sein.

An diesem Punkt unterscheiden sich junge Menschen nicht so sehr von älteren: In einer Zeit, in der Jobs immer fragiler werden und Erwerbsbiografien öfter Brüche erleiden, suchen Menschen wieder verstärkt nach sozialen – und das heißt zumeist: familiären – Bindungen.

Den Jugendlichen liefert diesen Halt momentan die Herkunftsfamilie. Später wollen die meisten aber eine eigene Familie gründen. 73 Prozent der Mädchen wünschen sich Kinder, bei den Jungen sind es 65 Prozent.

Interessant ist, dass 90 Prozent der Mädchen und Jungen angeben, dass sie ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern haben. Fast drei Viertel von ihnen würde ihre Kinder genauso erziehen, wie sie selber erzogen worden sind.

Dieser Umstand erfreute besonders Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU): „Vor einigen Jahren war das noch anders“, sagte sie. Durch die Studie fühle sie sich in ihrer Politik bestätigt. Um die soziale Schere nicht noch weiter auseinandergehen zu lassen, sollten vor allem Kinder aus sozial schwächeren Familien gezielt gefördert werden. Dazu gehöre, dass sie frühzeitig Deutsch lernen.

Vor wenigen Tagen hatte die Ministerin angekündigt, im kommendem Jahr 4.000 „Brennpunkt-Kitas“ zu fördern: Mit 400 Millionen Euro, die der Bund zur Verfügung stellt, sollen in den Einrichtungen dann halbtags Sprach- und Integrationsvermittler arbeiten.

Fast drei Viertel der Jugendlichen würden ihre Kinder genauso erziehen, wie sie selber erzogen worden sind.

Profil: taz – die Tageszeitung

Featured Image: Günter Havlena / PIXELIO


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