Eines der vielen Klischees über die heute 25 bis 35-jährigen besagt, dass sie eine Generation bilden, die politisch nicht interessiert ist, sich nicht einbringt in aktuelle Debatten und kaum Bezugspunkte zu der Parteiendemokratie bundesrepublikanischer Prägung aufweist.
Einiges davon scheint auf den ersten Blick zuzutreffen, anderes nicht. Einerseits kenne ich gerade einmal zwei Personen die sich parteipolitisch festgelegt haben. Beide sind vor vielen Jahren in eine Partei eingetreten um karrierefördernde Bekanntschaften zu schließen und zählen zu der Gruppe der Karteileichen. Sicherlich besteht bei ihnen eine Affinität zu den Grundüberzeugungen ihrer Partei, von einer festen politischen Einstellung oder gar Ideologie sind beide meilenweit entfernt. Eine öffentliche Positionierung im Sinne ihrer Partei findet kaum bis gar nicht statt.
Andererseits gibt es da diese andere Gruppe von Menschen, die niemals auch nur auf die Idee käme, in eine Partei einzutreten. Sind das die Menschen denen eine gewisse Verantwortungslosigkeit, Egoismus und die Unfähigkeit, Kompromisse einzugehen nachgesagt wird? Vielleicht. Doch woran liegt es eigentlich, dass diese Generation eher in einen Schützenverein als eine Partei eintreten würde?
Die heute 25 bis 35-jährigen, die ich kenne sind gerade mit ihrer Ausbildung fertig, beenden ihr Studium oder haben eventuell schon einen Job gefunden. Fast niemand arbeitet in dem Beruf für den er ausgebildet wurde. Die Anforderungen in den verschiedenen Berufen ähneln sich allerdings auf frappierende Weise. Gefordert werden ein hoher Arbeitseinsatz, mit teilweise absurd vielen Wochenstunden, hohe Flexibilität, Pragmatismus und die Fähigkeit, Probleme spezialisiert respektive kleinteilig zu lösen. Der hohe Arbeitseinsatz führt in den meisten Fällen dazu, dass die wenige Freizeit entweder im sehr nahen privaten Umfeld verbracht oder durch (arbeitskrafterhaltende) sportliche Aktivitäten gefüllt wird.
Die geforderte Flexibilität; viele arbeiten nur noch in Projekten die auf einige Monate begrenzt sind; verursacht permanente Unsicherheit. Ob und vor allem wo jemand in einem halben Jahr arbeitet, wissen die wenigsten.
Eine pragmatische und spezialisierte Arbeitsweise kann einzelne kleinteilige Probleme lösen, einen großen Zusammenhang herstellen kann sie nicht. Diese an sie gestellten Forderungen erfüllt die Generation der heute 25 bis 35-jährigen seit Jahren wie selbstverständlich. Mal schlecht, mal recht. Es sind Forderungen, die dieser Generation von den diversen Parteien immer und immer wieder gepredigt worden sind.
Forderungen, die natürlich auch an die Parteiorganisationen gestellt werden können, oder? Ein hoher Arbeitseinsatz kann je nach Belieben problemlos in jeder Ortsgruppe erbracht werden. Bei dem Thema Flexibilität wird es da schon schwieriger. Viele Parteistrukturen erscheinen (ob zu Recht oder Unrecht) verkrustet, veraltet und in jahrzehntelangen Ritualen erstarrt. Und ob sich hochprofessionalisierte Pragmatiker mit Parteiprogrammen und zähen Altherrenhinterzimmerstammtischrunden identifizieren können, erscheint ebenfalls mehr als fraglich.
Die Pragmatiker von heute können bezeichnenderweise die sie bedrückenden Probleme genau benennen und möchten sie auch lösen. Doch wozu muss man dafür in eine Partei eintreten?
Wer heute sein Kind betreuen lassen möchte, kann entweder jahrelang auf einen Kindertagesstättenplatz warten oder organisiert selbstständig eine kleine private Hortgruppe. Wer sich nicht mit Fluglärm abfinden will, arbeitet von Zeit zu Zeit in einer Bürgerinitiative mit und wer die Menschrechtssituation in Tibet verbessern will, engagiert sich bei Amnesty International oder einer anderen Nichtregierungsorganisation.
Bei keinem der genannten Beispiele kann eine Partei, zumindest kurzfristig, von Nutzen sein. Welche Partei kann für sich in Anspruch nehmen pragmatisch, zielorientiert, effizient und professionell zu arbeiten?
Natürlich kann eine Partei mehr bieten, als nur kleinteilige Probleme zu lösen. Parteien können einen größeren Rahmen herstellen und langfristige Perspektiven entwerfen. Und genau dies scheinen auch die Hauptprobleme der heute 25 bis 35-jährigen zu sein: Der völlige Mangel an tragfähigen übergreifenden Modellen, Vorstellungen oder (wenn es denn dann sein muss) Ideologien. Das große Ganze (und damit die Grundlegitimation der diversen Parteien) kann diese Generation dabei leicht aus dem Blick verlieren. Aber ist nicht genau das, das Resultat der Forderungen, die die bundesrepublikanischen Parteien „ihren“ Bürgern immer und immer wieder gepredigt haben?
© Frank Jablonski, 10.05.2007