25. Dezember 2011 | Naziterror

Dubioses Spiel mit Nazis

von Andreas Speit (taz). Hamburg


Der Thüringer Verfassungsschutz bestätigt, dass er dem Nazitrio Geld zukommen ließ. Nun liegt eine Strafanzeige vor.

Lesezeit 2 Minuten

Gegen den Thüringer Verfassungsschutz liegt nun eine Anzeige vor, weil das Amt versuchte, dem Neonazitrio aus Zwickau Geld zukommen zu lassen. Das bestätigte Michael Lehmann von der Staatsanwaltschaft Erfurt. Eine Privatperson habe die Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt erstattet. „Der Sachverhalt wird überprüft“, sagt der Oberstaatsanwalt der taz. Unterdessen räumte eine Sprecherin ein, dass der Verfassungsschutz tatsächlich versucht habe, über einen V-Mann Geld an das Neonazitrio weiterzuleiten.

Nach dem Abtauchen der drei mutmaßlichen Terroristen 1998 hatte der Leiter des Neonazi-Netzwerks „Thüringer Heimatschutz“ Tino Brandt für sie Spenden gesammelt. Das Geld will er Kameraden aus Jena, Ralf Wohlleben und André Kapke, übergeben haben, doch nicht jede Spende kam bei dem Trio an. Wohlleben, der mittlerweile in Haft ist, weil er den dreien eine Waffe und Munition zukommen ließ, behauptet, Kapke hätte Geld unterschlagen. Aus abgehörten Telefonaten des Unterstützerkreises in Chemnitz erfuhr der Verfassungsschutz, dass bei dem Trio das Geld knapp wurde. Und so wurde die Idee geboren, ihnen „zur Beschaffung falscher Ausweispapiere 2.000 DM“ zuzuleiten. Das Geld sollte über Brandt, der zugleich V-Mann des Verfassungsschutzes war, fließen.

Der Verfassungsschutz habe so Kenntnis über Tarnidentitäten erhalten wollen, sagt nun die Sprecherin der taz, doch „direkt sei kein Geld geflossen“. Allerdings nur, weil der Mittelsmann das Geld für sich verwendet habe, räumt selbst die Sprecherin ein. Mit neuen Pässen gelang es dem Trio weiter unterzutauchen. Der Verfassungsschutz hatte die Meldeämter in Sachsen nicht unterrichtet. Im selben Jahr begann das Trio mit ihrer Mordserie.

Die Rolle von V-Mann Brandt und des Verfassungsschutzes wird derweil immer obskurer. Nach dem Abtauchen von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe sollen sowohl das Landeskriminalamt (LKA) als auch der Verfassungsschutz Zielfahndungen eingeleitet haben. Doch der Verfassungsschutz habe Brandt über dessen Überwachung durch das LKA ständig unterrichtet, berichtet die Berliner Zeitung am Montag. Dies bestätigt auch Brandt selbst in der Ausgabe. So kommt der Verdacht auf, dass der Verfassungsschutz die Arbeit des LKA sabotierte.

Auch die Linke will nun Anzeige gegen den Verfassungsschutz erstatten. „Die Vorfälle zeigen eine neue Qualität der Verstrickungen von braunem Terror und staatlicher Behörde“, sagt Martina Renner, Innenpolitikerin der Links-Fraktion in Thüringen. Die Bereitstellung von Geld für Pässe müsse als Beihilfe zur Flucht gewertet werden. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Uwe Höhn sagt: „Eine umfassende Aufklärung der damaligen Arbeit der Thüringer Sicherheitsbehörden, wie sie vom Innenministerium vollmundig angekündigt wurde, sieht anders aus.“ Und er betont: „Sollte sich bewahrheiten, dass die Terrorzelle oder ihre Unterstützer ihre Aktivitäten zum Teil auch durch Gelder des Staates finanzieren konnten, ist das gesamte System des Verfassungsschutzes infrage zu stellen.“

Profil: taz – die Tageszeitung

Featured Image: alipictures / PIXELIO



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