Die Weltbevölkerung hat eine Zahl von etwa sieben Milliarden erreicht, und sie wächst nach wie vor stark – um 79 Millionen Menschen im Jahr. Dieser Zuwachs findet fast ausschließlich in den weniger entwickelten Ländern statt.
Das anhaltende Bevölkerungswachstum dort ist auf drei Faktoren zurückzuführen: Erstens bekommen Frauen in den Entwicklungsländern deutlich mehr Kinder als in den entwickelten Regionen der Welt. Zweitens sind die Bevölkerungen in den Entwicklungsländern durch die hohen Geburtenraten im Schnitt sehr jung, das heißt, die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter ist hoch und wird künftig noch steigen. Und drittens werden die meisten Menschen in den armen Regionen dank einer verbesserten gesundheitlichen Versorgung und einer besser gesicherten Ernährung inzwischen älter.
Infolge dieser Entwicklung droht vielen Menschen Hunger, die Gesundheits- und Bildungssysteme stehen unter Druck, die Infrastruktur ist überlastet und Ressourcen sind knapp. Das alles steht der weiteren Entwicklung im Wege und birgt auch Konfliktpotenzial.
Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat in der Studie „Afrikas demografische Herausforderung“ für 103 heutige und ehemalige Entwicklungsländer gezeigt, dass sich kein einziges Land sozioökonomisch entwickelt hat, ohne dass parallel dazu die Geburtenrate zurückgegangen ist. Der Entwicklungsstand eines Landes hängt also eng mit seiner Bevölkerungsstruktur zusammen.
Entwicklungsprobleme in Subsahara-Afrika
Entwicklungspolitisch bestehen heute in Subsahara-Afrika die meisten und größten Probleme. Von den weltweit 48 am wenigsten entwickelten Ländern befinden sich 33 in diesem Teil Afrikas. Gleichzeitig zeichnet sich die Region durch die weltweit höchsten Geburtenraten aus. Bis zum Jahr 2050 dürfte sich die Zahl der Menschen in Subsahara-Afrika verdoppeln, bis Ende des Jahrhunderts könnte sie sich vervierfachen.
Das Bevölkerungswachstum könnte sogar noch stärker ausfallen, etwa wenn Verhütung in Subsahara-Afrika keine deutlich stärkere Verbreitung findet als dies derzeit der Fall ist. Bei der Nutzung von modernen Mitteln zur Familienplanung hinkt vor allem Westafrika weit hinterher.
Was zu kleineren Familien führt
Das Bevölkerungswachstum und die hohen Geburtenraten sind keineswegs allein dem Wunsch nach großen Familien geschuldet. Sie lassen sich vielmehr teilweise darauf zurückführen, dass Frauen und Paaren effektive Möglichkeiten zur eigentlich gewünschten Familienplanung fehlen. Wenn Menschen ihr Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit wahrnehmen können, wenn also Verhütungsmittel bereitgestellt, Sexualaufklärung angeboten und reproduktive Gesundheits- und Beratungsdienstleistungen ausgebaut werden, gehen die Kinderzahlen dem Wunsch der Menschen entsprechend deutlich zurück. Doch damit allein ist es nicht getan. Da sich Frauen in Entwicklungsländern im Durchschnitt weniger Kinder wünschen als Männer, führt der Weg zu niedrigeren Kinderzahlen vor allem über die Stärkung von Frauen.
Die Geburtenraten sinken nachweislich,
- wenn Frauen in Familie und Gesellschaft mehr Mitsprachemöglichkeiten erhalten und sich ihnen Alternativen zur reinen Mutterrolle eröffnen.
- wenn Mädchen und Frauen einen ungehinderten Zugang zu Sexualaufklärung, Familienplanung und Verhütungsmitteln haben.
- wenn Mädchen und Frauen eine bessere Bildung erlangen. Insbesondere der Besuch einer weiterführenden Schule führt dazu, dass Frauen später Kinder bekommen und Familienplanung aktiver betreiben.
- wenn sich neue Lebensperspektiven ergeben, etwa durch einen Umzug vom Land in die Stadt, durch bessere Verdienstmöglichkeiten oder durch neue Familienbilder, die von den Medien transportiert werden.
- wenn die Kindersterblichkeit sich verringert. Denn Paare sind erst bereit, weniger Nachwuchs zu bekommen, wenn sich die Überlebenschance für jedes einzelne Kind erhöht.
Chancen der demografischen Entwicklung
Wenn Mortalität und Fertilität sinken, kann eine junge Bevölkerung zu einem volkswirtschaftlichen Motor werden. Das lehren die Erfahrungen der asiatischen Tigerstaaten. Diese hatten zu Beginn ihrer beeindruckenden Entwicklung eine ähnliche demografische Ausgangslage wie viele subsaharische Staaten heute, und auch ihr damaliger Entwicklungsstand war ähnlich schlecht. Den Entwicklungsschub der asiatischen Tigerstaaten ermöglichten zwei grundlegende Veränderungen:
- Es ist ein demografischer Bonus entstanden, weil sich die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter im Verhältnis zu den abhängigen jungen und alten Menschen erhöht hat. Damit solch eine günstige Altersstruktur zustande kommt, müssen die vielen Kinder und Jugendlichen erwachsen werden, die Sterblichkeit in der Altersgruppe der Erwerbsfähigen muss zurückgehen, und die Fertilität muss sinken, sodass die nachwachsenden Jahrgänge (und die damit verbundenen Belastungen) kleiner werden.
- Der demografische Bonus konnte in eine demografische Dividende verwandelt werden, also in einen volkswirtschaftlichen Gewinn, weil die vielen Erwerbsfähigen auch die Chance bekamen, erwerbstätig zu werden.
Dafür müssen die Menschen ausgebildet und Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die asiatischen Tiger haben gleichzeitig in Bildung und Familienplanung investiert, notwendige wirtschaftliche Reformen durchgesetzt und vor allem Arbeitsplätze für die große Zahl junger Erwerbsfähiger geschaffen. Zudem erkannten diese Gesellschaften, dass die Erwerbsbeteiligung von Frauen für den wirtschaftlichen Fortschritt unbedingt nötig und Bildung dafür eine zentrale Voraussetzung ist. Es war gerade der umfassende Ansatz, der den Tigerstaaten ihre Erfolge ermöglicht hat.
Auch wenn sich das Konzept der demografischen Dividende aufgrund von kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Unterschieden nicht einfach von den „asiatischen Tigern“ auf die Länder Subsahara-Afrikas übertragen lässt, steht den afrikanischen Staaten der Weg der demografischen Dividende im Prinzip offen. Dafür muss die Politik allerdings die richtigen Weichen stellen.
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