Politische Entscheidungen wirken sich direkt auf Entscheidungen in Kernbereichen des Umgangs mit Natur und Landschaft aus wie z.B. über Landwirtschafts-, Verkehrs- oder Infrastrukturpolitiken.
Politische Rahmenbedingungen und Regelungen sollten stärker so gestaltet werden, dass sie Belastungen für die Artenvielfalt reduzieren und dabei die Empfehlungen der Wissenschaft integriert werden. Diese Empfehlungen sollten der Politik auch helfen, sich ihrer Rolle als Faktor für den Verlust der Biodiversität klar zu werden.
Dazu sollten die ökonomischen, kulturellen und ideellen Reichtümer, die die Artenvielfalt bereitstellt, stärker hervorgehoben werden.
Der Atlas kombiniert die Hauptergebnisse des großen EU- Forschungsprojektes ALARM (68 Partner aus 35 Ländern in Europa und Übersee) mit einigen Kernergebnissen aus zahlreichen anderen Forschungsnetzwerken. Insgesamt haben 366 Autoren aus über 180 Institutionen in 43 Ländern zu dem 280 Seiten starken Atlas beigetragen. Das Werk wurde am Donnerstag im Rahmen der Grünen Woche 2010 („Green Week 2010“) in Brüssel vorgestellt, zu der die Europäische Union knapp 4000 Teilnehmer eingeladen hat.
Der neue „Atlas der Biodiversitätsrisiken“ ist der erste seiner Art, der die Hauptfaktoren zusammenfasst, die zum Verlust der Artenvielfalt auf europäischer und globaler Ebene führen. Die Hauptrisiken werden hervorgerufen vom globalen Klima- und Landnutzungswandel und der Umweltverschmutzung. Besonders relevant ist dabei der Verlust an Bestäubern und der Einfluss biologischer Invasionen, die gesondert hervorgehoben werden. Die Auswirkungen und Konsequenzen des Biodiversitätsverlustes werden in dem Werk mit einem starken Fokus auf sozioökonomische Faktoren und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft beschrieben. „Uns sollte klar sein, dass nicht eine einzelne politische Maßnahme die Artenvielfalt retten wird, sondern dass eine systematische Überprüfung aller Politikfelder notwendig ist, die die Biodiversität betreffen“, betont Josef Settele vom Helmholtz- Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der Leiter des Herausgeberteams des Atlas. „Forschungsergebnisse sollten daher genutzt werden, um Programme kontinuierlich zu aktualisieren und Politiken nachhaltig weiter zu entwickeln.“
Als Basis für die vorhergesagten Effekte und möglichen Handlungsoptionen dienen im „Atlas der Biodiversitätsrisiken“ drei verschiedene Zukunftsszenarien: a) das Szenario kontinuierlichen ökonomischen Wachstums (GRAS), b) ein „Weiter-So-Szenario“ (BAMBU) und c) ein Nachhaltigkeits-orientiertes Szenario (SEDG) „Es ist wichtig, sich klar zu machen, das Szenarien keine Vorhersagen sind“, erklärt Joachim H. Spangenberg von SERI Deutschland (Sustainable Europe Research Institute), der im ALARM-Projekt den sozio-ökonomischen Teil leitete. „Szenarien bieten eine Reihe von begründeten Annahmen, die helfen, über mögliche plausible Zukünfte und die Auswirkungen heutiger Entscheidungen auf die Welt von morgen nachzudenken. Sie zeigen, welche Konsequenzen unser Handeln haben könnte und können so helfen, bessere Entscheidungen zu treffen.“ Die Grundlagen dieser Szenarien sind erläutert, die Auswirkungen wurden modelliert bzw. durch konsistente Erzählungen illustriert und getestet. Der Atlas ist in elf Kapitel unterteilt, die sich an den Belastungen für die Artenvielfalt orientieren und durch über 100 Fallstudien untermauert sind.
Der Atlas richtet sich an ein breites Publikum: Wissenschaftler können darin Zusammenfassungen von Methoden, Ansätzen und Fallstudien finden.
Für Naturschützer und politische Entscheidungsträger sind leicht verständliche Empfehlungen gedacht, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Dozenten und Lehrer können Beispiele herausgreifen, um die großen Herausforderungen unseres Jahrhunderts im globalen Umweltwandel zu erklären. „Letztlich werden alle, die sich um Umweltprobleme sorgen, mit dem Atlas eine starke Waffe für ihren Kampf zur Rettung der Vielfalt auf unserem Planeten finden“, meint Lyubomir Penev, einer der Herausgeber. „Wir hoffen sehr, dass der neue Atlas seinen Weg zu einem breiten Publikum findet und letztlich auch in die politischen Entscheidungsprozesse einfließt“, ergänzt Josef Settele, der mit seinen 8 Herausgeber-Kollegen aus Deutschland, Slowenien und Bulgarien auch nachfolgende Ansicht teilt: Der Schutz der biologischen Vielfalt wird in einer Gesellschaft, die nicht nachhaltig ist, nicht erreicht werden können – genauso wenig wie eine Gesellschaft nicht nachhaltig sein kann, die die biologische Vielfalt nicht für kommende Generationen erhält.
Publikation
Josef Settele, Lyubomir Penev, Teodor Georgiev, Ralf Grabaum, Vesna Grobelnik, Volker Hammen, Stefan Klotz, Mladen Kotarac & Ingolf Kuhn
(Eds) (2010):
Atlas of Biodiversity Risk.
Pensoft. Sofia. ISBN 978-954-642-446-4.
http://pensoft.net/newreleases/14595.htm