23. März 2010 | Evolutionsbiologie

Die Klimapolitik als Spielfeld

von Barbara Abrell. Plön


Ökosysteme, Gesellschaft und internationale Konferenzen haben eines gemeinsam: Ihre Entwicklung wird von vielen Individuen bestimmt, die miteinander interagieren. Zwei Wissenschaftlerinnen sehen bei den Erkenntnissen der evolutionären Spieltheorie einen möglichen Nutzen für die Klimapolitik.

Lesezeit 3 Minuten

Kopenhagen 2009: Ein Klimagipfel, der mit großen Erwartungen verbunden war und viele enttäuscht hat. Kein Wunder, wenn nahezu 200 Nationen mit ganz verschiedenen Interessen sich einigen sollen, könnte man pessimistisch sagen. Doch eine Studie von Chaitanya Gokhale und Arne Traulsen von der Emmy-Noether-Forschungsgruppe für Evolutionäre Dynamik zeigt nun, dass die Zahl der möglichen Lösungen in spieltheoretischen Modellen mit der Zahl der Spieler sogar zunimmt.
Eine Chance für das Weltklima? Auf jeden Fall eine wichtige Erweiterung bestehender Modelle um sowohl soziale Interaktionen, als auch die evolutionäre Entstehung von biologischer Vielfalt besser zu verstehen.

Die evolutionäre Spieltheorie kann helfen, solche soziale Interaktionen zu analysieren. Der gesellschaftliche Erfolg eines Individuums basiert nämlich nicht allein auf dem eigenen Handeln, sondern ist natürlich auch abhängig von den Handlungen der Mitmenschen. Spielsituationen mit zwei Spielern wurden in der evolutionären Spieltheorie bereits eingehend untersucht. Ein einfaches Beispiel ist das bekannte „Schere-Stein-Papier“, bei dem sich eine Gruppe von Spielern jeweils paarweise duelliert, um so den Sieger zu ermitteln. Analog dazu kann man drei verschiedene Bakterienstämme betrachten, die in einer Petrischale versammelt sind: Die einen sind den anderen überlegen, weil sie sich schneller reproduzieren, die anderen, weil sie Gifte produzieren, die dritten wiederum sind gegen diese Gifte resistent. Bleibt in diesem Fall nur einer der Stämme auf Dauer übrig, oder pendelt sich ein Gleichgewichtszustand ein, in dem alle Stämme sich den Lebensraum in einem bestimmten Verhältnis teilen?
Ein Gleichgewicht aller Strategien nennt man in der Spieltheorie auch ein internes Gleichgewicht. Auch Verhandlungssituationen – Beispiel Kopenhagen – lassen sich mit spieltheoretischen Mitteln beschreiben.
Eine Gleichgewichtssituation ist in diesem Fall ein Ergebnis, auf das sich die Teilnehmer einigen, weil keiner durch eine Ablehnung eine für ihn vorteilhaftere Lösung herbeiführen kann.

Mehrere Teilnehmer – mehrere Gleichgewichte

Zwischen „Schere-Stein-Papier“ und komplexeren Situationen gibt es aber einen wichtigen Unterschied: Bei Ersterem spielen tatsächlich immer nur zwei Spieler gegeneinander. Schon im Fall der Bakterienstämme ist weniger klar, warum man nur paarweise Interaktionen betrachten sollte. Die Alternative wäre ein Modell, in dem immer drei oder mehr Spieler zusammentreffen und daraus einen bestimmten Vor- oder Nachteil ziehen. Tatsächlich hat die Vereinfachung auf zwei Spieler eine entscheidende mathematische
Konsequenz: Es ist gibt höchstens einen internen Gleichgewichtszustand, der bei den vertretenen Strategien erreicht werden kann. Modelle mit mehreren Spielern und Strategien haben demgegenüber mehr als ein internes Gleichgewicht.

Solche Modelle haben Chaitanya Gokhale und Arne Traulsen in der jetzt veröffentlichten Studie genauer untersucht. Sie konnten dabei zeigen, dass für d Spieler und n Strategien höchstens (d-1)^(n-1) interne Gleichgewichtszustände möglich sind. Weiter untersuchten die Forscher, mit wie vielen Gleichgewichtszuständen man rechnen kann, wenn man zufällig eine Spielsituation auswählt. Es stellte sich heraus, dass Spiele mit sehr wenigen oder sehr vielen Gleichgewichtssituationen dann selten sind, wenn es viele Spieler und Strategien gibt.

„Das Ergebnis zeigt uns rein rechnerisch, dass die Zahl der Einigungsmöglichkeiten steigt, wenn mehrere Spieler oder Interakteure beteiligt sind. Einfach aus dem Grund, dass dann eben auch mehrere Lösungen möglich sind“, meint Chaitanya Gokhale. Vielleicht also doch auch ein Hoffnungsschimmer im Hinblick auf das Weltklimaproblem.

Originalveröffentlichung

C. Gokhale, A. Traulsen
Evolutionary games in the multiverse
Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Early edition, 8. März 2010

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Die Bedeutung der Grafik

Die Klimapolitik als Spielfeld


Ein Spiel mit drei möglichen Strategien A, B und C, und einer Population von Spielern, von denen immer vier gleichzeitig aufeinander treffen. Jedem Punkt im Dreieck entspricht eine Zusammensetzung der Spieler-Population: Je näher der Punkt an der Ecke A liegt, desto größer ist der Anteil der Spieler mit Strategie A in der Population. Pfeile zeigen, wie sich die Population durch die Evolution verändert, welche Strategien sich also mit der Zeit durchsetzten. Es ergeben sich neun interne Gleichgewichtspunkte, vier davon stabil (schwarz) und fünf instabil (weiß und grau).

Profil: www.mpg.de/de

Featured Image: Max-Planck-Institut


Links im Originalbeitrag waren veraltet. Ein Link konnte aktualisiert werden. 4.4.24


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