Dass Mandel sich weniger auf einer theoretischen Ebene mit ihrem Thema auseinander setzt, sondern vielmehr praktischen Nutzen stiften möchte, wird in ihrem Plädoyer dafür deutlich, „[…] dass sich Neue Kulturunternehmer nicht nur als Kulturschaffende, sondern auch als Unternehmer definieren und die eigenen Dienstleistungen zu angemessenen Preisen, selbstbewusst und offensiv, auf dem Markt positionieren.“ (10)
Den Begriff „Neue Kulturunternehmer“ führt Mandel ein für „Kleinst- und Kleinunternehmer der Kulturwirtschaft, die jenseits der Global Player des Kultur- und Medienmarktes und jenseits traditioneller Kulturberufe […] neue Dienstleistungen entwickelt haben“ (7). Diese haben ihre Unternehmen meist erst in den letzten zehn Jahren gegründet, arbeiten an den Schnittstellen zwischen Kunst und anderen gesellschaftlichen Bereichen als Kulturvermittler, -manager oder -berater und bieten dort ihre innovativen Produkte bzw. Tätigkeiten an.
Bereits in der Einleitung hebt Mandel die positiven Impulse hervor, die die Neuen Kulturunternehmer der Gesellschaft und dem Arbeitsmarkt geben können. Dabei verschweigt sie nicht, dass in den Kleinunternehmen überwiegend flexible und prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorliegen. Auch auf dem Kulturwirtschaftssektor zeigt sich der Trend, dass Festanstellungen seltener werden und projektbezogene Anstellungen zunehmen. Mandel betont den „Vorbildcharakter“ (25) des Kultursektors, auf dem Eigenverantwortung, hohe Flexibilität und lebenslanges Lernen bereits selbstverständlich sind, für andere Bereiche. Diese Entwicklung ließe sich jedoch durchaus auch kritisch betrachten, denn es ist fraglich, ob sie nicht von einem gesellschaftlichen Umbau begleitet werden müsste, der die Folgen des prekären Status´ auffängt.
Mandel verortet die Neuen Kulturunternehmer an den Berührungsflächen der drei Säulen des Kultursektors: dem öffentlichen Kulturbetrieb, der Kulturwirtschaft wie Verlagswesen oder Filmindustrie sowie dem gemeinnützigen dritten Sektor, der von großem bürgerschaftlichen Engagement lebt und nur geringfügig durch staatliche Fördermittel unterstützt wird. In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit dominiert in Deutschland der öffentlich subventionierte Kulturbetrieb – nicht zuletzt, weil er im weltweiten Vergleich hierzulande in absoluten Zahlen die höchsten Zuschüsse erhält. Entsprechend dieser Systematisierung ist in der Forschung auch vom „Vierten Sektor“ die Rede, wenn das Feld der von Mandel als Neue Kulturunternehmer definierten Akteure gemeint ist.
Bevor Mandel auf die Neuen Kulturunternehmer im Besonderen zu sprechen kommt, führt sie kurz in den Kulturarbeitsmarkt im Allgemeinen ein. Sie beschreibt die Strukturen des Kultursektors und deren Wandel im Zusammenhang mit der Transformation der Arbeits- und Industriegesellschaft zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. Zu den verschiedenen Entwicklungen gehört, dass die Fördermittel für gemeinnützige Kulturveranstaltungen – bei gleichbleibenden Kulturausgaben der Bürgerinnen und Bürger – eingeschränkt werden, so dass der Konkurrenzdruck weiter steigt; dass Marketing und PR als Instrumente im Wettbewerb um Aufmerksamkeit immer wichtiger werden; dass im öffentlichen Kulturbetrieb Stellen abgebaut und Aufgaben an externe Dienstleistungen weitergegeben werden. Davon profitiert der expandierende privatwirtschaftliche Kulturbetrieb, dessen Umsätze die des öffentlichen Kulturbetriebs bereits um ein Vielfaches übertreffen. Für den Kultursektor insgesamt sind zunehmend Prozesse kennzeichnend, die sich mit den Schlagworten Professionalisierung, Serviceorientierung, Eventisierung, Interdisziplinarität, Ökonomisierung, Kooperationen mit anderen gesellschaftlichen Teilbereichen, bürgerschaftliches Engagement, Internationalisierung und Globalisierung beschreiben lassen. Allerdings sind diese Prozesse kein neues Phänomen.
Unter Einbeziehung der relevanten Forschung und der Ergebnisse einer Befragung, die vom Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim unter Leitung von Mandel im Frühjahr 2006 durchgeführt worden ist, präsentiert Mandel Charakteristika Neuer Kulturunternehmer. An der schriftlichen Befragung haben 83 Kulturunternehmen in Deutschland teilgenommen, ergänzend wurden mit 25 Kulturunternehmern mündliche Interviews geführt. Die wichtigsten Motive für die Unternehmensgründung sind demnach das Streben nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung. Die Neuen Kulturunternehmer arbeiten überwiegend in den Tätigkeitsbereichen Full Service Kulturmanagement, Kultur-Eventmanagement, Kulturtourismus sowie Kultursponsoring und Coaching oder Unternehmensberatung mit künstlerischen Mitteln.
Vom Zukunftspotenzial dieser Bereiche sind die Neuen Kulturunternehmer überzeugt. Sie positionieren sich als Spezialisten in Nischen und reagieren gleichzeitig als Generalisten flexibel auf die Marktanforderungen. Dabei kommt ihnen zugute, dass sie nicht mit kostenintensiven festen Angestellten arbeiten, sondern projektbezogen auf ihre Netzwerkpartner zurückgreifen können. Mehrheitlich haben die Neuen Kulturunternehmer Einzelunternehmen oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit zwei bis drei Partnern gegründet, da für diese Rechtsformen nur ein geringer Verwaltungsaufwand erforderlich ist. Das Startkapital der befragten Unternehmensgründer betrug im Durchschnitt weniger als 5000 Euro.
Mandel unterstreicht, wie entscheidend die Persönlichkeit der Gründer für das Gelingen der Selbstständigkeit ist: Die Neuen Kulturunternehmer besitzen „ein hohes Bildungsniveau in Bereichen, die vor allem auf reflexive, analytische, und kreative Kompetenzen setzen“ (48). Nur wenige verfügen über eine betriebswirtschaftliche Ausbildung, wichtiger sind die Fähigkeiten zur Selbstpräsentation und Netzwerkpflege sowie eine hohe Motivation und Arbeitsmoral. Das Verwischen der „Grenzen zwischen Arbeit und privatem Leben“ (51) bringt Vor- und Nachteile mit sich: Mehrheitlich betrachten die Neuen Kulturunternehmer sich als erfolgreich, da ihnen Selbstverwirklichung und Arbeitszufriedenheit wichtiger sind als Umsatz und Gewinn. Dass sie die Wirtschaftlichkeit ihres Arbeitens vernachlässigen, sehen die Neuen Kulturunternehmer entsprechend als größtes Risiko für ein mögliches Scheitern an.
Die Neuen Kulturunternehmer stellen einen wichtigen sozioökonomischen Faktor dar: Sie schaffen nicht nur Arbeit, sondern heben auch die Standortqualität durch das positive Image von Kunst, erweitern das kulturelle Angebot und stimulieren kulturelle Bedürfnisse. Die Politik hat die Bedeutung dieser Akteure noch nicht angemessen erfasst. Mandel spricht konkrete Empfehlungen aus, wie die Neuen Kulturunternehmer zum Wohl der gesamten Gesellschaft unterstützt werden könnten: Zunächst einmal muss die Politik die Besonderheit dieser Gruppe in ihre Überlegungen einbeziehen. Dann könnten Fördermaßnahmen wie die Unterstützung von Weiterbildungsangeboten, Zuschüsse beim „Aufbau von Interessennetzwerken“ (62) oder Mietvergünstigungen ergriffen werden.
Da die Ergebnisse der schriftlichen Befragung bereits in die Analyse eingeflossen sind, überrascht es, dass diese nun in einem weiteren Kapitel zusammengefasst und zusätzlich grafisch aufbereitet werden. Leserfreundlicher wäre es gewesen, diese Informationen statt in der Mitte des Buches als Anhang am Ende zu positionieren. Dort hätte auch der Fragebogen seinen Platz gehabt, der der Befragung zu Grunde gelegt worden ist und leider nicht einzusehen ist.
Ein weiteres Kapitel präsentiert Portraits von zehn Neuen Kulturunternehmern in Deutschland. Die sehr persönlich gestalteten Einzeldarstellungen sind anschaulich, machen neugierig und wirken inspirierend, was die Möglichkeiten von selbstständigen Tätigkeiten im Kultursektor betrifft. Überhaupt bietet die zweite Hälfte des schmalen Bandes vor allem praktische Tipps für Einsteiger: Die Empfehlungen, wie man Neuer Kulturunternehmer wird, mögen selbstverständlich erscheinen – für alle, die noch nie darüber nachgedacht haben, sind sie sicherlich ebenso hilfreich wie die Literaturangaben, die Links und die Checklisten für Gründer.
Am Ende bleibt der Eindruck, dass die Studie die wissenschaftlich-theoretischen Ebene des Themas nur streift. Auf der praktischen Ebene dagegen liefert Mandels Studie Gründungswilligen anregende Beispiele und konkrete Handreichungen. Hier schlägt sich die langjährige praktische Erfahrung der Autorin deutlich und positiv nieder. Dass eine kultur- oder geisteswissenschaftliche Ausbildung nicht zwangsläufig zum Taxischein führt, wird nicht zuletzt durch die eindrucksvolle Liste positiver Beispiele von Neuen Kulturunternehmern belegt.
© Margret Karsch, 09.05.2007
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Das Buch
Birgit Mandel: Die neuen Kulturunternehmer. Ihre Motive, Visionen und Erfolgsstrategien. transcript Verlag, Bielefeld 2007, 143 Seiten, 16,80 Euro