Das deutsche Studentenwerk sieht die Chancengleichheit im deutschen Hochschulsystem gefährdet. Laut einem Papier, das im Dezember 2006 der taz vorlag, verschlechtert sich die Situation für Kinder aus sogenannten bildungsfernen Familien zunehmend. Schon heute sind ihre Chance, ein Studium zu beginnen, wesentlich geringer als die von Kindern aus Akademikerfamilien: Von 100 Kindern aus Familien mit gutem Einkommen schaffen derzeit 81 Prozent die Aufnahme an einer Hochschule. Aus Familien mit weniger Geld und geringer Bildung sind es dagegen nur 11 Prozent, die ein Studium aufnehmen.
Ohne eine grundlegende Reform des Bafög und massive Investitionen in das Hochschulwesen stehe es schlecht um die Chancen solcher Kinder auf einen Studienabschluss, mahnt das Studentenwerk.
Zuletzt haben Bund und Länder sich auf den Hochschulpakt geeinigt. Nach der kräftigen Finanzspritze für die Forschung durch den Exzellenzwettbewerb sollte diesmal Geld für den einfachen Studierenden fließen – die Lehre soll unterstützt werden. Von den vom Bund bereitgestellten 1,3 Milliarden Euro fließen jedoch nur knapp die Hälfte der Mittel in den Lehrbetrieb. Mit 700 Millionen Euro wird dagegen auch jetzt wieder die Elite beim Forschen unterstützt. Der einzelne Studierende merkt von diesen Investitionen nicht viel.
Nach Angaben der Studentenwerke fehlen ihnen selbst zusätzlich 700 Millionen Euro. Bund und Länder sollen jeweils die Hälfte der Kosten übernehmen, fordern die Studentenwerke. Das Geld werde für Mensen und Wohnheime benötigt. Außerdem müssen die Studentenwerke dem gewachsenen Beratungsbedarf gerecht werden, der auf Grund der Einführung von Studiengebühren und Studienkrediten entsteht.
Eine weitere Baustelle sei das Bafög in Deutschland, heißt es weiter. Es müsse überarbeitet werden, wolle man die Chancengleichheit nicht weiter gefährden. Im Moment erhalten knapp ein Viertel der Studierenden in Deutschland die Unterstützung vom Staat. Der einzelne Bafög-Satz ist vom Einkommen der Eltern abhängig, der Höchstsatz beträgt derzeit 585 Euro. [Die Bildungsministerin Annette Schavan hat bereits angekündigt, dass es auch 2007 keine Erhöhung des Bafög-Satzes geben wird.]
Wohin der Weg führt, wenn sich der Staat immer mehr aus der Finanzierung des Studiums zurückzieht, zeigen die Entwicklungen in den USA. Nach einer neuen Studie der gemeinnützigen Stiftung „Education Trust“ studieren immer weniger Amerikaner aus einkommensschwachen Familien an den großen staatlichen Universitäten – auch wegen des Rückgangs an Stipendien. Aus der Studie geht hervor, dass die Gelder für Stipendien für Studenten aus Familien mit weniger als 20.000 Dollar Jahreseinkommen um 13 Prozent zurückgingen. Bei Studenten aus Familien mit mehr als 100.000 Dollar Jahreseinkommen erhöhte sich die für Stipendien ausgegebene Summe um 406 Prozent.
Auch der freie zusammenschluss der studierendenschaften (fzs) ist der Meinung, dass das Bafög reformiert werden muss. Fzs-Vorstand Konstantin Bender sagte der taz: „Bei der Chancengerechtigkeit liegt in Deutschland einiges im Argen.“ Der Bafög-Satz und die Förderquote müssten erhöht werden, außerdem müssten aus den Krediten Vollzuschüsse werden. Die Unterteilung in eine Hälfte als Zuschuss und eine Hälfte als Kredit sei falsch, so Bender.
© taz vom 6.12.2006, S. 7, 110 Z. (TAZ-Bericht), FLORIAN HOLLENBACH
Eine Antwort zu “Studium bald nur noch für Reiche”
Auch wenn das Bafög für Studierende jetzt angehoben wird, reicht dieses bei weitem nicht dafür aus, um sich voll und ganz auf sein Studium zu konzentrieren. Immer mehr Studenten müssen sich einen Nebenjob suchen, weil ansonsten die Kosten nicht gedeckt werden. Für diejenigen, deren finanzielle Seite abgesichert ist, ist das ja doch alles kein Problem.