30. Januar 2010 | Innere Interkulturalität

Der „Ossi“ bleibt „der Andere“

von Stephan Laudien. Jena


Wissenschaftler haben untersucht, wie Ostdeutschland und die Ostdeutschen in den Medien wahrgenommen werden. Erste Ergebnisse sind jetzt veröffentlicht worden.

Lesezeit 2 Minuten

Der „Ossi“ bleibt „Ossi“, egal wo er sich aufhält. Beim „Wessi“ ist es anders: „Wessi“ ist man nur solange, wie man sich im Osten aufhält.
Wissenschaftler aus Jena, Leipzig und Wien haben untersucht, wie Ostdeutschland und die Ostdeutschen in den Medien wahrgenommen werden. Erste Ergebnisse aus diesem deutsch-österreichischen Projekt sind jetzt veröffentlicht worden. „Die Ostdeutschen in den Medien. Das Bild von den Anderen nach 1990“ heißt das Buch, das Thomas Ahbe, Rainer Gries und Wolfgang Schmale herausgegeben haben.

„Die Befunde haben uns in ihrer Deutlichkeit doch einigermaßen überrascht“, sagt Prof. Dr. Rainer Gries, Historiker an der Friedrich- Schiller-Universität Jena. Die Arbeitsgruppe habe festgestellt, dass sich am tradierten Bild von den „Ossis“ bis ins zweite Jahrzehnt der deutschen Einheit hinein wenig geändert hat. Der Sozialwissenschaftler Dr. Thomas Ahbe sagt, Ostdeutsche würden von Westdeutschen bis heute als fremdartig wahrgenommen, eben als „die Anderen“. Sie bilden eine Alterität, die westdeutsche Identitäten stabilisiert. „Natürlich gibt es Unterschiede, jedes Medium entwickelt seinen eigenen Blick“, so Ahbe. Bei der „tageszeitung“ beispielsweise verflüchtigte sich das anfänglich wohlwollende Interesse als klar wurde, dass die ostdeutschen Revolutionäre nicht den Idealen der taz, sondern den Idolen der westdeutschen Konsumgesellschaft folgten. Die taz porträtierte Ostdeutsche häufig als „von der Diktatur deformierte, autoritäre Persönlichkeiten“. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung
(F.A.Z.) wiederum kritisierte regelmäßig, dass sich die Ostdeutschen zu wenig mit der Bundesrepublik identifizierten. Im F.A.Z.-Diskurs tauchen die Ostdeutschen daher häufig als unbelehrbare Nostalgiker auf, die der Demokratie fernstehen.

Auch in anderer Hinsicht sprechen die Befunde des Buches eine klare Sprache. Rainer Gries verweist darauf, in welchen Zusammenhängen überregionale Medien – statistisch gesehen – Ostdeutschland am häufigsten thematisierten: Innen- und Parteipolitik, Wirtschaftspolitik sowie Geschichte. Bei den Politik- und Wirtschaftsthemen erschienen ostdeutsche Länder und Regionen zumeist
passiv: als Objekt politischer Aktivitäten des Westens oder als Empfänger von Zuwendungen. Und im Bereich der Geschichts-Themen dominierte mit Abstand das Problem der „Stasi“ und ihrer Machenschaften.

Die Ergebnisse der Untersuchung werfen ein grelles Licht auf den Stand der sogenannten inneren Einheit Deutschlands. Denn das Muster, selten oder nie auf Augenhöhe mit Westdeutschen zu sein, gehört auch zu den prägenden medialen Erfahrungen der Ostdeutschen während der Neunziger Jahre. Das heißt, dass die Bewohner der neuen Länder längst nicht mehr erwarten, dass ihr Leben in bundesweiten Medien angemessen widergespiegelt wird. So ist es auch kein Zufall, dass im Osten der Marktanteil der überregionalen Blätter deutlich geringer ist als im Westen. Gewinner sind Medien wie „Super illu“ oder dritte Fernsehprogramme, die die Seele der Ostdeutschen streicheln. Die überregionalen Medien werden wohl auf absehbare Zeit bei ihrem angestammten Bild von den Ostdeutschen bleiben. Rainer Gries: „Alle Zeitungen bedienen die Bedürfnisse ihrer Leser – und diese sitzen mehrheitlich im Westen des Landes.“

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Thomas Ahbe, Rainer Gries, Wolfgang Schmale (Hg.): Die Ostdeutschen in den Medien. Das Bild von den Anderen nach 1990, Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2009, 217 Seiten, Preis: 24 Euro, ISBN: 978-3-86583-391-4

Profil: www.uni-jena.de

Featured Image: mad max / PIXELIO



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