9. März 2010 | Goldabbau in Ghana

Der Fluch des Goldes

von Johan von Mirbach. Accra (Ghana)


Ghana ist reich an Bodenschätzen. Doch das Gold bedeutet nicht gleich Segen für das Entwicklungsland Ghana. Goldfirmen profitieren von lukrativen Schürflizenzen, während die Bewohner von ihrem Land vertrieben werden und kaum bis gar nicht entschädigt werden. Ihre einzige Einnahmequelle ist es, illegal auf ihrem ehemaligen Land nach Gold zu schürfen.

Lesezeit 8 Minuten

“Hier, direkt hinter dem großen Baum dort, da fing mein Land an,” erklärt James Sapong und zeigt auf eine riesige Geröllhalde. “Dort standen früher Palmen, Ananasbüsche, Yamstauden, Orangen- und Papayabäume, ich habe damit meine Frau und meine fünf Kinder ernähren können. Jetzt habe ich nichts mehr.” Vor einem halben Jahr  begruben riesige Bagger der Goldfirma Anglo Gold Ashanti sein Land unter den Geröllmassen, die beim Goldabbau anfielen. Der Konzern bot ihm 7400 ghanaische Cedi (ca. 3700 Euro) Entschädigungszahlung für sein Land, doch er lehnte ab.

Mit Hilfe von WACAM (Wassa Association for Communities affected by Mining), einer Interessenvereinigung der Geschädigten durch den Goldaabbau, klagt James Sapong gegen den Bergbaugiganten Anglo Gold Ashanti. Er fordert 90 000 Cedi, umgerechnet 45 000 Euro Entschädigung. Er weiß, dass die Gewinnaussichten schlecht sind, doch er gibt sich kämpferisch: “Klar werde ich gewinnen, ich bin ja im Recht.” Ob das angestrengte Verfahren eine Frage von Recht ist und ob er und die anderen Kläger die Ausdauer dafür haben werden, ist fraglich. Viele der enteigneten Bauern klagen nunmehr schon seit über 7 Jahren.

Der 63-jährige James Sapong lebt seit der Enteignung im Sommer 2009 in einem kleinen Zimmer über dem Büro von WACAM. Seine Familie ist bei Verwandten im nächstgelegenen Dorf untergekommen. ”Am schlimmsten ist, dass ich meine Familie nicht mehr ernähren kann“, beklagt sich James Sapong. Seine Existenzgrundlage wurde ihm genommen.

So wie ihm geht es vielen der Enteigneten. Im Westen Ghanas,  in der Wassa-Region liegt die Bergbaustadt Tarkwa in unmittelbarer Nähe zu zwei großen Tagebauminen und mehreren kleinen Abbaugebieten. Direkt am Stadtrand von Tarkwa breitet sich die größte Mine des Landes aus. Sie gehört dem Konzern Gold Fields. Im Südosten der Stadt graben die Bagger des anderen Bergbauriesen Anglo Gold Ashanti bereits seit 1990 nach Gold. WACAM schätzt, das in den letzten 20 Jahren im Wassa-Distrikt  40 bis 50 000 Menschen umgesiedelt wurden. Entschädigungen wurden nur unzureichend, in manchen Fällen gar nicht gezahlt. Besonders betroffen ist die Gemeinde Teberebie. Das ehemals 3000-Seelen-Dorf ist heute quasi eingekesselt: Im Norden, Westen und Süden ist die Gemeinde von Abraumhalden umgeben, die teilweise über 70 Meter hoch sind. Fast alle Dorfbewohner haben durch die Iduapriem-Mine ihr Land verloren. Einige haben die geringe Entschädigung angenommen, andere klagen, wie James Sapong.

Illegale Kleinschürfer
Foto: Heinz-Kühn-Stiftung

Anglo Gold Ashanti schürft schon seit über 100 Jahren im Land. Der Konzern eröffnete im Jahr 1897 die erste Mine in Obuasi. Das Unternehmen zahlte bis zur Unabhägigkeit Ghanas im Jahr 1957 zwischen 5 und 23 Prozent Lizenzgebühren  an das britische Empire. Nach der Unabhängigkeit des Landes wurde im gahanischen Minenfördergesetzt festgelegt, dass die Bergbauunternehmen zwischen 3 und 6 Prozent des Erlöses als Lizenzgebühr an den Staat zu zahlen haben, doch keines der im Lande tätigen Unternehmen zahlt mehr als die Untergrenze von 3 Prozent. Ghana profitiert somit kaum von seinen eigenen Bodenschätzen. Ein kleiner Teil dieser Lizenzgebühren – ein Zehntel – fließt in die Abauregionen zurück, d.h. die District Assembly der Wassa Region, in der die Iduapriem–Mine liegt, erhält jährlich ca.  830 000 US – Dollar von Anglo Gold Ashanti, was 0,3 Prozent des Gesamtumsatzes der Mine Iduapriem entspricht. Rund die Hälfte verwaltet die District Assembly – die Distriktversammlung. Der Rest geht an das Traditional Council – die Versammlung der chiefs  zur beliebigen Verwendung.

Für etwa 13 Prozent des ghanaischen Staatsgebietes sind bereits Bergbaukonzessionen vergeben. Schon lange vor der eigentlichen Förderung beginnen die Unternehmen mit den  Vorbereitungen. Es werden Gruben angelegt, Staubecken für Wasser, Straßen für die Bagger angelegt, Flüsse umgeleitet, oder Abraum aufgeschüttet. All dass braucht Platz, versperrt den Zugang zu den Feldern oder zu sauberem Trinkwasser. Auch ohne Umsiedlung bedeutet der Bergbau weitreichende Einschränkungen für die Bewohner. Und damit sie nicht allein gegen Goliath kämpfen, zahlt die 1998 gegründete Interessenvereinigung WACAM die Anwaltskosten und unterstützt die Familien der Betroffenen.

Finanzielle Unterstützung erfährt WACAM durch internationale Entwicklungsorganisationen, unter anderem durch OXFAM und FIAN. “Die Bergbauunternehmen, die können hier machen, was sie wollen”, beklagt Daniel Owusu Koranteng, Vorsitzender von WACAM. Der einzige Entschädigungsprozeß, den WACAM bis jetzt gewonnen hat, geht nun in die zweite Runde – Anglo Gold Ashanti hat das Urteil angefochten und Berufung eingelegt.

Obwohl schon bei der Eröffnung der Mine im Jahr 1990 bekannt war, dass Teberebie mitten zwischen den Abraumhalden ohne Zugang zu Wasser liegen würde, gibt es erst seit 2003 einen Umsiedlungsplan, der auch mit Unterstützung der Deutschen Entwicklungsgesellschaft (DEG) entwickelt wurde. Umgesetzt wurde er jedoch bis heute nicht. Den Dorfbewohnern bleibt es selbst überlassen, woanders neue Einkommensquellen zu suchen. In Teberebie haben die Menschen keinen Zugang mehr zu ihrem Land und zu sauberen Wasser.  In der benachbarten Kommune Prestea kommen andere Probleme hinzu: Dort sind die Häuser einsturzgefährdet, denn die Hauswände sind wegen der kontinuierlichen Sprengungen von Rissen durchdrungen. „Im Großen und Ganzen geht es immer um dasselbe“ sagt Daniel Owusu Koranteng: „Die Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage, nur im Detail gibt es Unterschiede.”

Viele der ursprünglich 3.000 Dorfbewohner von Teberebie sind inzwischen fortgezogen.  Nur einige wenige bleiben und kämpfen. Auch die 34-jährige Emilia Amoateng und ihre Mutter Ante Akuba weigern sich, zu gehen. Ante Akuba wurde vor 7 Jahren enteignet. “Das, was sie damals mit meiner Mutter passiert ist, war für mich so eine Art Startschuß”, erinnert sich die jugendlich aussehende Frau. ”Sie wollte eigentlich die Entschädigungszahlung annehmen, doch ich habe sie überredet, es nicht zu tun.” Auch Ante Akuba klagt wie James Sapong seitdem gegen den Bergbauriesen. Ihr Geld verdient sie sich seitdem als Gold- und Diamantenschürferin: Illegal, auf dem Land von Anglo Gold Ashanti, auf dem vorher ihre Pflanzen anbaute. Sie ist jetzt eine von 300 000 bis 500 000 Ghanaer, die vom ghanaischen Gold leben. Wie sie schürfen 85 Prozent der Goldsucher illegal. „Ich weiß sonst nicht, wie ich genug Geld verdienen soll“, erzählt sie, bis zu den Füßen im Schlamm stehend: „Die Arbeit ist zwar hart, aber das bin ich gewohnt von der Feldarbeit.“ 

Um zu den illegalen Schürfern, den Galamsey, zu gelangen, muss das gesamte Schürfgelände von AngloGold Ashanti durchquert werden. Die breiten Kiesstrassen der Minengesellschaft ziehen sich wie ein Spinnennetz durch das Land rund um Teberebie. Emilia, die Tochter von Ante Akuba, kennt hier jeden. „Eigentlich ist das Privatgelände, aber die Leute aus dem Dorf lassen die Wachmannschaften durch. Sie dürfe nur keine Kamera zu sehen bekommen, sonst lassen sie uns nicht auf das Gelände.“ Obwohl die Sicherheitsvorkehrungen streng sind, und ständig Checkpoints mit Schranken den Weg versperren, gelangen wir mit einem Taxi ohne Problem auf das konzessionierte Gelände, vorbei an riesigen Lastern, beladen mit Abraumschutt, Förderbändern und Tankwagen voller Zyanid – einer Chemikalie die zum Goldabbau benötigt sind, und leider nur allzu oft in den Flüssen der Region landet.

An einem Checkpoint ist plötzlich Schluss. “Die lassen uns hier nicht mit Auto durch”, erklärt Emilia, “ab hier müssen wir laufen.” Nach einer halben Stund Fußmarsch am Straßenrand entlang biegt die 34-jährige rechts ab. Ein kleiner Pfad führt durch eine breite Senke. Aus der Ferne hört man die Arbeitsgeräusche der Galamsey – der Kleinschürfer. Der Boden wird immer weicher und schlammiger. “Das ist eigentlich ein Fluss, der Anonampe, er kann aber nicht mehr abfließen, da die Geröllhalden weiter unten den Abfluss blockieren. Früher haben wir das Wasser hier als Trinkwasser genutzt, doch jetzt müssten wir über die Geröllhalden klettern, um an das Wasser zu kommen,” erklärt Emilia. Glück im Unglück, könnte man da fast sagen: Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass die Bewohner von Teberebie keinen Zugang mehr zu ihrem Fluss haben und das Wasser jetzt aus Brunnen beziehen. Alle 117 Flüsse und Bäche in der Region um Tarkwa sind verschmutzt und weisen deutlich höhere Konzentrationen an Quecksilber, Cadmium und Blei auf, als erlaubt.

Nach einem kurzen Fußmarsch durch dichtes Gestrüpp lichtet sich der Wald und gibt den Blick auf eine breites Schlammfeld frei, unterbrochen von mehreren kleinen Becken und Gruben. Das Land um den kleinen Flusslauf herum ist eine einzige Kraterlandschaft. Schlammfeld lösen kleine Seen ab, dazwischen immer wieder Stege, um trockenen Fußes von einer Grube zur nächsten zu kommen. Hier arbeiten die Galamsey. Sie arbeiten in kleinen Gruppen in bis zu 8 Meter tiefen Gruben. Jede Grube hat eine eigene kleine Pumpe, die das Wasser aus der Grube herausbefördert. Die Kleinschürfer arbeiten fast ausschließlich mit Muskelkraft. Eine Gruppe schaufelt den Lehm aus den Gruben heraus, eine zweite Gruppe zerstampft den Lehm zusammen mit Wasser zu einem dicken Brei. Der Brei wird dann von anderen Galamsey zusammen mit Wasser über kleine Rampen geschüttet. Das Gold verfängt sich in den Stoffbahnen, die über den Holzrampen liegen. Um das Gold aus dem Stein herauszulösen, benutzen sie Quecksilber und tragen so ihren Teil zur Verschmutzung der Flüsse bei. Viele von Ihnen vergiften sich dabei selbst.

Viele der Männer möchten nicht mit uns sprechen, denn sie haben Angst. Ein dreckverschmutzter Mann, Paul Ayensu, aber ist da offener. Auch er ist aus Teberebie und hat sein Land an die Goldabbaufirma verloren. “Das ist ein furchtbarer Job hier”, erklärt der 49-jähirge: ”Wenn ich irgendetwas anderes machen könnte, ich wäre sofort weg hier.”

Nicht jeder der Kleinschürfer ist aus Mangel an Alternativen hier. Gerade die jüngeren Männer kommen oft aus entfernten Regionen. “Jeder hier hofft darauf, den riesen Fund zu machen“, erklärt John Abotar, der normalerweise als Taxifahrer arbeitet.  

Emilia Amoateng und James Sapong kämpfen für eine gerechte und angemessene Entschädigung. Doch nicht alle im Dorf sind auf ihrer Seite. Einige Bewohner sind inzwischen Angestelle der Minengesellschaften und arbeiten im Wachdienst oder als Arbeiter im Strassenbau. Das sorgt für Zwist in der Kommune. Viele Minenangestellte sehen es nicht gerne, wenn ihre Nachbarn gegen “ihre” Firma aktiv werden, oder Galamseys auf dem Land von Anglo Gold Ashanti nach Gold schürfen. Schon mehrmals verpfiffen ehemalige Freunde und Nachbarn die nicht so priviligierten Dorfbewohner und verrieten, wo sie illegal Gold schürften. Dann rückt die Minenwachmannschaft an, und vertreibt die ungeliebten Störenfriede. Oft mit wenig Erfolg. Die Galamsey ziehen einfach tiefer in den Dschungel und schürfen an anderer Stelle weiter.

Einige Minenarbeiter machen sogar vor handfesten Drohungen nicht halt. Emilia erzählt, sie habe schon Drohungen aus dem Dorf erhalten. “Ein Mitarbeiter der Goldfirma kam zu mir und erklärte, wenn ich mit meiner Arbeit nicht aufhören würde, dann gäbe es schon Wege mich zur Räson zu bringen. Sie beschwerte sich über WACAM bei Der Goldfirma, der Mitarbeiter wurde entlassen. Wenigstens einen kleinen Erfolg konnte sie erringen. Der geschasste Minenarbeiter wiegelte im Nachhinein ab, das ganze sei doch nur ein Scherz gewesen.

Auch der Dorfchef von Teberebie, der chief Nana Kojo Mena, wünscht sich andere Zeiten zurück. Er ist zwar reicher als früher, dafür hat er aber sein einstiges Ansehen nahezu komplett verloren. Der chief hatte der Goldfirma vor 7 Jahren einen Großteil des Gemeindelands überlassen. Eine Besonderheit des ghanaischen Landrechts kam ihm dabei gerade recht. Bauern in Ghana besitzen ihr Land nicht selbst, sondern pachten es vom chief, der das Land für die Gemeinde verwaltet. Er kann -nach alter Gutsherrenart – frei darüber verfügen, und über den Willen der eigentlichen Besitzer hinweg entscheiden. Jetzt wollen die Dorfbewohner den chief am liebsten los werden, doch das ist nicht so einfach. Chiefs werden in Ghana nicht gewählt, sondern sie erben ihre Position. “Die chiefs in den von Goldabau betroffenen Kommunen werden immer von den Goldfirmen mit lukrativen Verträgen geködert. Keiner kann den Angeboten widerstehen und die Bauern haben darunter zu leiden.” erklärt Emilia Amoateng.

Die Erlöse aus den wertvollen Bodenschätzen fließen stetig ins Ausland und die Gräben in der ehemals geschlossenen Dorfgemeinschaft vertiefen sich. Die Narben des Goldabbaus zeigen sich nicht nur in der geschundenen Landschaft, sondern auch in den Seelen der Menschen.

————————————-

Der Autor

 Johan von Mirbach lebt in Köln und ist Stipendiat der Heinz-Kühn-Stiftung.



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert