26. Dezember 2010 | Europäische Union

Eine Spielwiese der Gen-Industrie

von Christoph Then. München/Parma


Mitarbeiter der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA kollaborieren mit Firmen wie Monsanto.

Lesezeit 2 Minuten

Zwischen den Experten der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA und der Industrie bestehen enge Verbindungen. Der Leiter der Expertengruppe, die für die Prüfung der Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen zuständig ist, Harry Kuiper und ein weiterer Experte, Gijs Kleter, arbeiten seit Jahren mit dem industrienahen International Life Science Institut (ILSI) zusammen. Sie kooperieren dort mit Vertretern von Konzernen wie Monsanto, Dupont, DowAgroSciences, Syngenta und Bayer in Projekten, die in erster Linie zu einer vereinfachten Marktzulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen führen sollen.

Vorwürfe wegen Verflechtungen zwischen der EFSA und der Industrie wurden in den letzten Monaten immer wieder erhoben: Ende September war bekannt geworden, dass im Verwaltungsrat der EFSA eine Mitarbeiterin der ILSI, Diána Bánáti, sitzt. Diese legte nach dem Bekanntwerden ihrer Verbindungen ihre Tätigkeiten bei der ILSI nieder. In einem anderen Fall war die Leiterin der Gentechnikabteilung, Suzy Renckens, direkt von der EFSA zur Gentechnikindustrie gewechselt, ohne dass die Behörde irgendwelche Einwände erhoben hatte. Neue Vorwürfe wurden jüngst wegen Interessenskonflikten der Behörde bei der Bewertung von Chemikalien erhoben. Auch hierbei spielt ILSI eine entscheidende Rolle.

Nach Ansicht von Testbiotech gibt es im Fall von Kuiper und Kleter einen gravierenden Interessenskonflikt: „Harry Kuiper hat die Arbeit der Gentechnik-Experten der EFSA von Anfang an geleitet. Er ist ganz wesentlich beteiligt an der Erstellung von Prüfrichtlinien. Unmittelbar bevor er 2003 zur EFSA kam, arbeitete er bei ILSI mit der Gentechnikindustrie ausgerechnet an Kriterien für die Risikobewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen. Die Verbindung von Kuiper zu ILSI besteht noch immer. Dass die Behörde diese offene Zusammenarbeit seit Jahren toleriert, erschüttert ihre Glaubwürdigkeit im Kern,“ sagt Christoph Then von Testbiotech. „Es sieht so aus, als hätte die Gentechnik-Industrie mit der Unterstützung von ILSI die EFSA zu ihrem Spielball gemacht.“

ILSI ist eine Organisation mit Sitz in den USA, die sich mit Themen der Lebensmittelsicherheit und entsprechenden gesetzlichen Regelungen befasst. Erstmals hatte die angeblich unabhängige Organisation für Kontroversen gesorgt, als ihr die WHO enge Verbindungen zur Tabakindustrie vorgeworfen hat. Im Bereich der Biotechnologie arbeitet ILSI mit einer sogenannten ‚Task Force‘, die ausschließlich mit Vertretern der Gentechnik-Industrie besetzt ist. Für diese Task Force erarbeitet eine Gruppe von Experten Berichte, mit denen dann bei Behörden und Politik Einfluss genommen wird. Harry Kuiper und Gjes Kleter haben an den Berichten der Task Force direkt mitgearbeitet.

Testbiotech prüft jetzt, inwieweit die von der Task Force erarbeiteten Konzepte von der EFSA für ihre Prüfrichtlinien übernommen wurden. Entsprechende Dokumente, die diesen Verdacht nahe legen, werden derzeit von Testbiotech gesichtet. Über die bisherigen Ergebnisse der Recherchen über EFSA sind die Vertreter von Testbiotech sehr besorgt. Die Vorgänge machen sehr deutlich, wie wichtig eine unabhängige Risikoforschung ist. Testbiotech fordert eine Neuorganisation der Risikoforschung und Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen unter Beteiligung der Öffentlichkeit. Politik, Behörden und die Wissenschaft dürfen sich nicht von der Industrie manipulieren lassen.

Zur Ansicht: Auszüge aus einem Report von ILSI als ein Beispiel für die Zusammenarbeit der EFSA Experten Harry Kuiper und Gijs Kleter mit der Gentechnikindustrie.



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